Späterer Erblasser schenkte seiner zweiten Frau ein Grundstück und ein Haus, nach dem Tod des Mannes erbte die Frau alles
1983 kauften der Ehemann – der spätere Erblasser - und seine zweite Ehefrau ein Grundstück, bezahlt wurde es allein aus Mitteln des Ehemanns. Es wurde mit einem Haus bebaut, der Bau wurde finanziert, Darlehensschuldner waren beide Ehegatten. Die Tilgung des Darlehens erfolgte ausschließlich aus Mitteln des Ehemannes. 2008 verstarb der Ehemann, er wurde aufgrund eines entsprechenden Testaments von seiner Ehefrau allein beerbt.
Kinder des Erblassers machten Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend
Die Kinder des Ehemanns machten wegen Schenkungen des Erblassers Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend, deren Höhe sie unter anderem nach dem Wert des hälftigen Miteigentumsanteils der Ehefrau an dem bebauten Grundstück berechneten.
Die beklagte zweite Ehefrau hatte demgegenüber vorgetragen, es habe sich nicht um eine Schenkung gehandelt, sie hätte Gegenleistungen erbracht.
Das OLG entschied im Sinne der Klage der Pflichtteilsberechtigten:
Es habe sich um eine ehebedingte Zuwendung des Ehemannes gehandelt, diese sei pflichtteilsrechtlich als Schenkung zu behandeln.
Interessant ist der rechtliche Weg, der prozessual vom OLG eingeschlagen wurde, um zu diesem Ergebnis zu gelangen
Das grundsätzliche Problem des Pflichtteilsberechtigten liegt darin, dass er die rechtlichen Grundlagen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch – eine Schenkung oder im Falle eines Ehegatten: Eine unbenannte Zuwendung – beweisen muss. Das ist in der Regel für den Pflichtteilsberechtigten nahezu ausgeschlossen, zumal in derartigen Situationen die Kinder häufig über viele Jahre bereits vom Elternteil, der neu geheiratet hat, gar nicht mehr über die dort vorhandenen Situationen informiert wurden.
Das OLG Schleswig greift wegen dieser Beweisschwierigkeiten auf die Grundsätze einer differenzierten Darlegungslast zurück. In einer derartigen Situation sei es Sache des über die erforderlichen Kenntnisse verfügenden Anspruchsgegners (hier: der Erbin, also der zweiten Ehefrau), die für die Begründung der von dort behaupteten Gegenleistung maßgeblichen Tatsachen vorzutragen.
Prozessual fordert das Gericht den Anspruchsgegner auf, die von dort behauptete Entgeltlichkeit der Übereignung durch so genanntes „substantiiertes Bestreiten der Unentgeltlichkeit“ zu untermauern. Mit anderen Worten: die beklagte Anspruchsgegnerin muss im ersten Schritt darlegen, welche angeblichen Gegenleistungen sie denn erbracht hat.
Die daraufhin in diesem Fall vorgetragenen Ausführungen der Beklagten sind nur vage, also rechtlich nicht hinreichend substantiiert. Im Ergebnis werden diese Ausführungen deswegen nicht berücksichtigt.
Weil demnach der Ehemann (Erblasser) allein die finanziellen Lasten der Finanzierung getragen hat, folgert das Gericht, dass zwischen den Eheleuten bereits bei Abschluss des Kaufvertrags und später auch bei Abschluss der Darlehensverträge intern jedenfalls stillschweigend abgemacht war, allein der Ehemann werde aus seinen Mitteln Kaufpreis und Darlehensrückzahlung leisten. Dadurch sei der hälftige Miteigentumsanteil am Grundstück der Ehefrau geschenkt worden.
Bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches des Sohnes ist daher auch der Wert dieser Schenkung zu berücksichtigen.
Mein Tipp:
In einer derartigen Situation sollte ein Pflichtteilsberechtigter sich nicht mit den ersten oberflächlichen Auskünften (ein halb des Grundstücks ist Eigentum der Ehefrau, deswegen beim Pflichtteilsanspruch nicht zu berücksichtigen) zufrieden geben, sondern unbedingt selbst die Hintergründe recherchieren oder von seinem Rechtsanwalt/Rechtsanwältin recherchieren lassen.
Der Pflichtteilsberechtigte hat Anspruch auf Einsicht in die Verträge, mit denen der Erblasser – im Fall oben: Zusammen mit der Ehefrau – das Grundstück erworben hat. Daraus ergibt sich in der Regel auch, wenn der Kaufpreis dafür zum Teil finanziert wurde.
Der Pflichtteilsberechtigte hat auch Anspruch darauf, von der Erbin Auskunft zu erhalten, wer die Finanzierung abgetragen hat.
Die vom Gericht zugesprochenen (titulierten) Auskunftsansprüche können, soweit erforderlich, auch im Wege der Zwangsvollstreckung (Beugegeld) durchgesetzt werden.
Und die oben skizzierte Rechtsprechung gibt dem Pflichtteilsberechtigten einen guten Ansatzpunkt, trotz der ihm eigentlich obliegenden Beweislast aufgrund der differenzierten Darlegungslast in einer Fallsituation wie hier zum Ziel zu kommen.