Der Gesetzgeber sah eine besondere Schutzbedürftigkeit bei Menschen gegeben, die in der letzten Lebensphase in einem Heim untergebracht waren. Schutzbedürftigkeit wurde insbesondere auch in dem Bereich der testamentarischen Verfügungen gesehen, wegen der Nähe der im Heim betreuten Menschen zu denen sie betreuenden Personen – mit der möglichen Folge, dass das Heimpersonal in Verfolgung eigener Interessen die Bewohner des Heims verführen könnte, vorhandene Testamente zu ändern oder neue Testamente zu erstellen, durch die einzelne Personen des Heimpersonal oder das Heim als Institution zum Erben eingesetzt würden.
Seit Inkrafttreten des Heimgesetzes sind davon auch testamentarische Regelungen von Bewohnern betroffen
Der Bundesgesetzgeber untersagte deswegen durch § 14 Heimgesetz, dass der Träger des Heims sich von Bewohnern oder Bewerbern Geldleistungen oder geldwerte Leistungen über das vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren ließ. Der Leitung, den Beschäftigten und sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Heims war gesetzlich untersagt, sich von Bewohnern neben der vom Träger erbrachten Vergütung Geld oder geldwerte Leistungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem Heimvertrag versprechen oder gewähren zu lassen.
Seit Inkrafttreten des Heimgesetzes 1974 scheiterten daran auch testamentarische Regelungen von Bewohnern, durch die das Heimpersonal begünstigt worden war.
Seit 2006 hat der Bund die Kompetenz für ordnungsrechtliche Regelungen des Heimrechts an die Bundesländer übertragen. Inzwischen haben alle Bundesländer eigene ordnungsrechtliche Vorschriften erlassen, die insoweit die Regelung des Heimgesetzes ersetzen.
In einem Fall, über den das OLG Frankfurt zu entscheiden hatte (12.5.2015, 21 W 67/14) wurde deswegen nach dem Hessischen Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen (HGBP) entschieden, als es zum Streit über einen Erbscheinsantrag kam.
Fallsituation: Geschäftsführerin des Pflegeheimes wurde als Erbin eingesetzt
Die spätere Erblasserin E wurde bis zu ihrem Tod von einem ambulanten Pflegedienst in der Rechtsform einer GmbH betreut. Die Geschäftsführerin GF der GmbH hatte die ledige und kinderlose Erblasserin anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes kennen gelernt. Beide pflegten soziale Kontakte wie zum Beispiel gemeinsame Ausflüge und zusammen essen gehen.
Ursprünglich hatte die E ihre Nichte testamentarisch zur Erbin eingesetzt. Als die Nichte verstorben war, kam es zum Abschluss eines Erbvertrages, durch den Frau E die GF als Alleinerbin einsetzte; im Vertrag nahm Frau GF das Erbe auch an.
Geschäftsführerin beantragte nach dem Tod der Erblasserin einen Erbschein
Nach dem Tode von Frau E beantragte die GF einen Erbschein, durch den sie als Alleinerbin ausgewiesen werden sollte. Der Erbschein wurde antragsgemäß vom Nachlassgericht erteilt.
Nachlassgericht zog Erbschein wieder ein
Die zuständige Verwaltungsbehörde aber – das Regierungspräsidium – teilte dem Nachlassgericht mit, dass man dort eine Prüfung durchführe, ob der Erbvertrag gegen § 7 Abs. 1 HGBP verstoße – mit der Folge, dass das Nachlassgericht zunächst die GF anhörte und danach den ursprünglich erteilten Erbschein als unrichtig wieder einzog.
Über die Beschwerde der GF hatte das OLG Frankfurt zu entscheiden, nach dessen Auffassung der Einzug des Erbscheins rechtlich zutreffend war, da dieser unrichtig sei: Frau GF sei nicht Erbin der Frau E geworden, weil der zwischen den beiden abgeschlossenen Erbvertrag wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot – § 7 Abs. 2 HGBP - verstoße, § 134 BGB. Der Anwendungsbereich des hessischen Gesetzes umfasst auch die ambulante Betreuung, entsprechende Einrichtungen sowie die Leitung der Einrichtungen.
Geschäftsführerin konnte Trennung zwischen dienstlicher und freundschaftlicher Bindung nicht eindeutig nachweisen
Das OLG anerkannte, dass nach der Beweisaufnahme zwar davon auszugehen sei, dass zwischen den beiden Frauen eine Bindung bestanden habe, die deutlich im Sinne einer Freundschaft über eine reine Geschäftsbeziehung hinausgegangen sei.
Notwendig wäre es aber gewesen, die gesetzliche Vermutung – wonach ein Zusammenhang zwischen der Einsetzung als Erbin und der vertraglichen Leistung im Hinblick auf die Pflege der Erblasserin als bestehend angesehen wurde – zu widerlegen. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, das Gegenteil der gesetzlichen Vermutung nachzuweisen. Diesen Nachweis konnte Frau GF nicht erfolgreich führen.
Ein Aspekt von mehreren war dabei auch der Umstand, dass Frau E zunächst ihre eigene Nichte als Erbin eingesetzt hatte und dies erst nach dem Ableben der Nichte änderte.
MEIN TIPP:
Die rechtlichen Probleme werden erst nach dem Ableben der Erblasserin offenbar – so auch hier. Zu diesem Zeitpunkt war in dem oben geschilderten Fall der Notar, der den Erbvertrag beurkundet hatte, bereits verstorben. Der Notarverweser, der die Akten seines verstorbenen Kollegen verwaltete, hatte keine eigene Kenntnis von dem Fall.
Hier waren also viele Informationen schon verloren gegangen und standen der Frau GF nicht mehr zur Verfügung.
In einem derartigen Fall ist meine Empfehlung, bereits in der Vorbereitung des Erbvertrages den Sachverhalt ganz weitgehend aufzuklären, insbesondere im Hinblick auf die Sichtweisen der Erblasserin, und dies dann so umfassend wie möglich zu dokumentieren, wenn möglich in einer weiteren notariellen Urkunde. Ergänzend dazu könnten auch in einem selbständigen Beweisverfahrens Zeugenaussagen aufgenommen werden über die Beziehungen zwischen einerseits der Erblasserin E und der bedachten Person – denn niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis der Fall den Gerichten vorgetragen wird und welche Zeugen dann noch am Leben oder bereits verstorben sind.
Der Notar wird im Hinblick auf diese Dokumentation aber nicht initiativ tätig werden; insoweit ist deswegen dringend anzuraten, rechtzeitig einen Fachanwalt für Erbrecht zu beauftragen, diesen Teil der Angelegenheit vorzubereiten und soweit als möglich in die Dokumentation zu bringen.