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Dass sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf ihrer Herbstkonferenz dafür ausgesprochen haben, die sogenannte Streitwertgrenze anzuheben, ist dabei nicht Stein des Anstoßes.
Vielmehr befürchtet der Anwaltverein, dass künftig sämtliche Verkehrsstreitigkeiten bei den Amtsgerichten landen könnten.
Bei ihrer Konferenz im November hatten die Justizministerinnen und Justizminister der Länder empfohlen, „den Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte anzuheben und darüber hinaus als weitere Maßnahme die Verlagerung streitwertunabhängiger Zuständigkeiten in Betracht zu ziehen“. Derzeit sind in der Regel für Verfahren mit einem Streitwert bis 5000 Euro die Amtsgerichte zuständig. Bei höheren Summen ist normalerweise das Landgericht als erste Instanz zuständig.
Im internen Bericht einer Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz heißt es: „Eine Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte führt zu einem höheren Fallaufkommen und ist damit eine Möglichkeit zu einer Stärkung der Amtsgerichte insgesamt.“ In dem Bericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, hält die Arbeitsgruppe zudem fest: „Eine andere Möglichkeit, die aufgrund des Auftrags der Arbeitsgruppe nicht betrachtet wurde, wäre die weitere streitwertunabhängige Verlagerung von Verfahren an die Amtsgerichte, zum Beispiel bei Verkehrsunfallsachen, Nachbarschaftsstreitigkeiten und Miete von Gewerberaum.“
Einige der Verfahren zu Verkehrsstreitigkeiten seien sehr komplex und zögen sich über Jahre hin, „wir reden von Querschnittslähmungen oder sogar Todesfällen“, sagte Nicolas Eilers von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV der dpa. „Die Amtsgerichte sind dafür überhaupt nicht ausgelegt“. Dass Verkehrssachen gesammelt behandelt werden, hält der DAV zwar grundsätzlich für richtig. Die Amtsgerichte seien dafür jedoch der falsche Ort. Besser wären aus seiner Sicht spezialisierte Kammern bei den Landgerichten.
Nach Informationen des Anwaltvereins wird seitens der Justizminister außerdem überlegt, Verfahren, in denen es um Medizinrecht geht, grundsätzlich den Landgerichten zuzuweisen.
DAV-Verkehrsrechtsexperte Michael Burmann sieht hier ein Problem. Er sagte: „Wie beispielsweise mit Personenschäden umgegangen werden soll, bei denen diese Rechtsgebiete eng miteinander verwoben sind, bleibt völlig unklar.“
Im Bericht der Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz, die sich formal nur mit der Frage der Streitwertgrenze befassen sollte, ist ein solcher Vorschlag nicht enthalten. Burmann sagte, er befürchte, in der Praxis werde die geplante Änderung insgesamt keine Verbesserung bringen, „sondern vieles unübersichtlicher machen“.
Die Justizminister sind sich einig, dass die seit Jahren unveränderte Streitwertgrenze angesichts der allgemeinen Preisentwicklung angehoben werden muss. Über die genaue Summe und über die Frage, welche weiteren Änderungen in der Verteilung der Zuständigkeiten angemessen sind, soll bei der Frühjahrskonferenz im kommenden Mai erneut beraten werden.
Laut dem Bericht der Arbeitsgruppe müsste der Zuständigkeitsstreitwert für die Amtsgerichte von 5 000 Euro auf mehr als 8 400 Euro angehoben werden, um die 1993 geschaffene Geschäftsverteilung zwischen Amts- und Landgerichten wiederherzustellen. In der Zeit von 1993 bis 2020 seien die Eingänge an erstinstanzlichen Zivilverfahren bei den Amtsgerichten um rund 41 Prozent zurückgegangen, heißt es in dem Bericht weiter. Und: „Eine Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte würde die Amtsgerichte stärken und damit einen Beitrag zu mehr Bürgernähe der Justiz leisten.“
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