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Wie ist Locomore entstanden und wer steckt dahinter?
Treibende Kraft des Projekts ist der Verwaltungswissenschaftler und Bahnexperte Derek Ladewig. Er gründete das Unternehmen Locomore Rail bereits 2007. Zusammen mit zwei Partnerfirmen gelang es ihm 2012, den Hamburg-Köln-Express (HKX) auf die Schiene zu bringen. Per Investorensuche im Internet (Crowdfunding) konnte Locomore rund 600.000 Euro einsammeln und so im Dezember 2016 die Verbindung Stuttgart-Berlin auf die Beine stellen.
Warum musste Locomore Insolvenz beantragen?
Die Kalkulation der Geschäftsführung ging offenkundig nicht auf. „Sowohl die Anzahl der Fahrgäste als auch die Einnahmen pro Fahrgast sind zwar kontinuierlich angestiegen, aber nicht schnell genug, um vollständig kostendeckend zu arbeiten“, teilte die Geschäftsführung mit. „Unsere finanziellen Reserven sind nunmehr aufgebraucht, so dass wir uns zu diesem Schritt gezwungen sahen.“ Für nähere Erklärungen war bei Locomore zunächst niemand zu erreichen.
Was war kalkuliert, welche Probleme gab es?
Von Anfang an war klar, dass Locomore mit seinen 30 Mitarbeitern schnell die Schwelle zur Kostendeckung erreichen musste. „Die Züge müssen mindestens halb voll sein“, hatte Locomore-Chef Ladewig als Ziel ausgegeben, das wären etwa 1000 verkaufte Tickets pro Tag gewesen. Die waren in der Regel günstiger als die der DB. Doch es gab technische Probleme mit den aufgemöbelten Wagen aus den 1970er Jahren, zum Beispiel defekte Toiletten und Mängel beim Internet-Zugang per WLAN. Locomore musste den Verkehr einschränken und fuhr von Ende Januar bis Anfang April statt täglich nur noch an vier Tagen in der Woche.
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Ist das Projekt endgültig gescheitert?
Das ist offen. Der vorerst letzte Zug fuhr am Freitag von Stuttgart nach Berlin. Locomore teilte mit, der Zugverkehr sei erst einmal bis einschließlich Montag (15. Mai) unterbrochen. Die Kanzlei des vorläufigen Insolvenzverwalters Rolf Rattunde stellte klar, eine Wiederaufnahme des Zugbetriebs sei nur mit Hilfe eines neuen Investors möglich. Das Unternehmen habe nur noch „ganz geringe liquide Mittel“, sagte der Rechtsanwalt und Mitarbeiter Rattundes, Danny Koch, der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe intensive Verhandlungen mit „mehreren Interessenten“.
Was ist mit dem Geld der Investoren?
Das muss der Insolvenzverwalter im Einzelnen noch prüfen. Ein Teil der 600.000 Euro, die gesammelt worden waren, seien wohl als nachrangige Darlehen gegeben worden, andere Geldgeber seien als stille Teilhaber eingestiegen, sagte Rechtsanwalt und Mitarbeiter Rattundes, Danny Koch. Bahnexperten gehen davon aus, dass das Geld höchstens zum kleinen Teil zurück bezahlt werden wird.
Was passiert mit gebuchten Fahrten?
Locomore hat seine Tickets übers Internet, am Telefon, in einigen Reisebüros sowie direkt im Zug verkauft. Sollte Locomore den Neustart nicht schaffen, können bereits erworbene Fahrscheine nicht mehr benutzt werden. Sie gingen dann als Gläubigerforderungen ins Insolvenzverfahren. Nur bei ausreichender Insolvenzmasse gäbe es später etwas an die Kunden zurück.
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Warum ist die Deutsche Bahn im Fernverkehr fast Monopolist?
Anders als im Regionalverkehr, der von Bundesländern oder Verkehrsverbünden bestellt wird, betreibt die bundeseigene Deutsche Bahn den Fernverkehr in Eigenregie. ICE und IC fahren auf einem großen Netz mit regelmäßigen Takten und vielen Umsteigestationen. Wettbewerber haben es schwer, dem etwas entgegen zu setzen. Sie müssen immer klein anfangen, die Anfangsinvestitionen in einen Wagenpark sind enorm. Deshalb gab es bisher nur einzelne Strecken. Der
Interconnex von Leipzig nach Warnemünde wurde Ende 2014 nach zweieinhalb Jahren wieder eingestellt. Sollte Locomore scheitern, bleibt nur noch der HKX von Hamburg nach Köln.
Wie reagiert die Deutsche Bahn auf den Insolvenzantrag?
„Die Deutsche Bahn bedauert diese Entwicklung“, sagte ein Sprecher. Wettbewerb auch im Fernverkehr sei generell zu befürworten. Ein vielfältiges Angebot führe „zu mehr Qualität für den Kunden“. Auch ein Konkurrenzzug wie der von Locomore mache „mehr Menschen auf die Vorzüge des Bahnfahrens aufmerksam“.
Was meint die Politik?
Das Verkehrsministerium in Baden-Württemberg sieht grundsätzliche Hindernisse für Konkurrenten: „Bedauerlicherweise ist es dem Bund seit der Bahnreform nicht gelungen, die Rahmenbedingungen im Schienenfernverkehr so zu gestalten, dass Wettbewerb entstehen kann.“ Das Bundesverkehrsministerium wollte sich nicht zu einem einzelnen Unternehmen äußern. Ein Sprecher äußerte sich allgemein: „Wir sind bemüht, den Wettbewerb auf der Schiene zu ermöglichen und zu fördern.“ Er verwies darauf, dass der Anteil von Konkurrenten der Deutschen Bahn im Nahverkehr gewachsen sei.