„Gemäß § 2250 Abs. 2 BGB kann ein Nottestament vor drei Zeugen errichten, wer sich in so naher Todesgefahr befindet, das voraussichtlich weder die Errichtung vor einem Notar noch vor einem Bürgermeister nach § 2249 BGB möglich ist. Eine jederzeit drohende Testierunfähigkeit steht der Todesgefahr gleich, wenn sie voraussichtlich durchgängig bis zum Tode fortdauert. Die derart nahe Gefahr des Todes oder der Testierunfähigkeit muss dabei entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach der Überzeugung aller drei Testamentszeugen bestehen…
Die Besorgnis muss nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Zeugen auch angesichts der objektiven Sachlage als gerechtfertigt angesehen werden können. Auf die Einschätzung des Erblassers kommt es nicht an.
Ist der Erblasser nur körperlich zu schwach, um ein eigenhändiges Testament errichten zu können, wird beim Fehlen der übrigen Voraussetzungen der Tatbestandes § 2250 BGB nicht erfüllt.“ (OLG München, 12.5.2015 – 31Wx 81/15)
Ort für ein Nottestament spielt keine Rolle
In der Fallsituation, über die das OLG München zu entscheiden hatte, befand sich der Patient im Krankenhaus, wo er wegen Leukämie und Nierenversagen behandelt wurde. In einem Fall der von der Vorschrift geforderten „nahen Todesgefahr“ ist gleichgültig, wo sich der Patient befindet, er könnte ein Testament beispielsweise auch in einem Flugzeug errichten.
Erblasser muss letzten Willen vor drei Zeugen erklären
Die Errichtung des Testaments setzt voraus, dass der Patient vor den drei Zeugen seinen letzten Willen mündlich erklärt. Die Übergabe eines Schriftstücks durch den späteren Erblasser ist nicht ausreichend. Wenn dem Patienten ein Testamentsentwurf abschnittsweise vorgelesen wird, der früher niedergeschrieben wurde, muss er seine Zustimmung mündlich erklären, mindestens durch ein verstehbares „ja“.
Einer der Zeugen muss die Erklärung niederschreiben, sie muss, damit Wirksamkeit eintritt, dem Erblasser noch lebzeitig vorgelesen und von ihm vor allen anwesenden drei Zeugen genehmigt und unterschrieben werden.
Auch die Zeugen müssen unterschreiben. Wenn der Erblasser nicht mehr fähig ist, zu unterschreiben, wird dies in die Urkunde aufgenommen und von den Zeugen unterschrieben.
Weitere Formvorschriften für die Niederschrift:
In die Urkunde müssen außer den letztwilligen Erklärungen des Erblassers Angaben zur Person des Erblassers und der Zeugen aufgenommen werden, der Tag und der Ort der Niederschrift, Vermerke über die Beteiligten, die Testierfähigkeit des Erblassers, die Schwere seiner Erkrankung, die nahe Todesgefahr oder drohende Testierunfähigkeit und gegebenenfalls über eine Schreibunfähigkeit des Erblassers.
OLG München hielt Testierunfähigkeit für nicht erwiesen
Bei dem vom OLG München entschiedenen Fall wurde zunächst die Frage der möglichen Testierunfähigkeit des Erblassers geprüft. Nach Beweisaufnahme hielt das OLG es nicht für erwiesen, dass der Erblasser testierunfähig war.
Die Beschwerdeführerin hatte außerdem thematisiert, dass ein Notar noch hätte verständigt werden können. Das Gericht war anderer Auffassung, da die Testamentszeugen die Kenntnis über den Gesundheitszustand des Erblassers erst nach 18:00 Uhr, also nach Büroschluss erlangt hatten.
OLG kannte Testament als wirksam an
Gemäß dem Urteil des OLG hatte das Nachlassgericht in erster Instanz zwar bemängelt, „dass die vom Erblasser unterschriebene Testamentsurkunde nichts über den Vorgang der Erklärungsabgabe als solchen besagt, die mitwirkenden Testamentszeugen nicht bezeichnet und keine Angaben zur Testierfähigkeit des Erblassers oder der nahen Todesgefahr enthält.“ Da es sich insoweit aber nur um die Abfassung der Niederschrift selbst handelte, die „nicht den Errichtungsakt als solchen betreffen“, wurden diese Formverstöße nicht als so gravierend angesehen, dass es dadurch zur Unwirksamkeit gekommen wäre.
Vom Erblasser unterschriebene und genehmigte Erklärung mit zusätzliche Niederschrift der Zeugen bildeten eine Einheit
Als unschädlich sah das OLG auch an, dass die (zusätzliche) Niederschrift eines der Zeugen über den Ablauf des Vorgangs nicht unmittelbar nach der Genehmigung und Leistung der Unterschrift unter dem Testament durch den Erblasser erfolgte, sondern erst zeitlich danach, in Abwesenheit der weiteren Zeugen und des Erblassers. „Wenngleich bei der Unterschrift des Erblassers die Zeugen anwesend sein müssen, bedarf es zur Unterschrift der Zeugen, die auch nachgeholt werden kann, nicht der Anwesenheit des Erblassers.“
Wesentlich war für das OLG dabei auch, dass die allein vom Erblasser unterschriebene und genehmigte Erklärung mit der gesonderten, vom Testamentszeugen unterschriebenen zusätzlichen Niederschrift fest verbunden war, so dass beides eine Einheit bildete.
Rechtsanwaltstipp: Wer in eine solche Situation gerät, sollte wenn möglich, zweigleisig fahren:
1. Eine Person (oder wenn möglich mehrere parallel) wird beauftragt, zu versuchen, telefonisch eine Notarin/einen Notar herbeizurufen. Irgendeiner im Kreis der Zeugen wird sicherlich einen Anwalt kennen, jeder Anwalt wird vermutlich mehrere Notare kennen und bessere Möglichkeiten zur Verfügung haben, um diese zu aktivieren. Möglicherweise gibt es eine „Notrufnummer“ bei der Notarkammer. Auch das Internet, das über Handy verfügbar ist, bietet Suchmöglichkeiten. Die Person, die mit der Suche des Notars beauftragt wird, könnte beispielsweise auch ein Jugendlicher sein, der Möglicherweise viel erfahrener in den Suchfunktionen des Internet ist.
Der mit dem Suchauftrag Beauftragte könnte hilfsweise auf dem Weg über die Anwälte auch versuchen, einen Fachanwalt/Fachanwältin für Erbrecht zu finden, damit dieser den Weg über das Nottestament fachlich begleitet.
2. Die anderen Personen versuchen inzwischen parallel, den Willen des Erblassers zu klären, den dieser niedergeschrieben sehen will, und bemühen sich, so gut es mit den dann vorhandenen Rechtskenntnissen möglich ist, diesen Willen zu Papier zu bringen und die Formvoraussetzungen des Nottestaments so gut als möglich zu erfüllen, und zwar völlig unabhängig davon, wie weit inzwischen die parallelen Bemühungen um die Notarin/den Notar gediehen sind.
Trifft der Notar/die Notarin in einem Moment ein, in dem das Nottestament bereits fertiggestellt wurde, aber glücklicherweise der Erblasser auch noch zu Protokoll des Notars ein Testament errichten kann: wunderbar, das Nottestament wird nicht gebraucht. Der Notar wacht jetzt über die Einhaltung der Form.
Trifft der Notar zu spät ein, ist immerhin das Nottestament in der Welt, so gut, wie es in der Situation gerade möglich war.