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Verkehrsrecht und Versicherungsrecht | 08.06.2018

Dashcam-Aufnahmen

Private Video­aufnahmen im Straßen­verkehr: Dashcam als neues Beweis­mittel bei Verkehrs­unfällen?

Dashcam-Aufnahmen als Beweis­mittel im Unfall­haftpflicht­prozess begrenzt verwertbar

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Irvin Stahl

Häufig gibt es bei Verkehrs­unfällen keine neutralen Zeugen, die Spurenlage ist nicht eindeutig und die beteiligten Fahrer beschuldigen sich wechselseitig eines Verkehrs­verstoßes. Sind, was der Regelfall sein dürfte, zwei Kraft­fahrzeuge beteiligt, kommt es zur gesetzlichen Regelung einer hälftigen Haftungs­verteilung.

Gut also, wenn man im Fahrzeug eine Dashcam – eine Minikamera, die das Verkehrs­geschehen aufzeichnet – eingebaut hat. Diese hat gefilmt, wie sich der Unfall ereignet hat und die Schuldfrage ist geklärt.

Videoaufzeichnung nach geltendem Datenschutzrecht unzulässig

Was dem juristischen Laien selbstverständlich erscheinen mag, ist es bei genauerer Betrachtung jedoch keineswegs. Das permanente Filmen des Straßen­verkehrs ohne besonderen Anlass verstößt nach den geltenden Bestimmungen gegen datenschutz­rechtliche Vorschriften und ist damit unzulässig. Verletzt würde das informationelle Selbst­bestimmungs­recht – jeder muss selbstverständlich die Möglichkeit haben, sich in der Öffentlichkeit frei zu bewegen, ohne hierbei gegen seinen Willen und ohne Anlass gefilmt zu werden. Bei Verstößen können hohe Bußgelder bis hin zur Freiheits­strafe in schweren Fällen verhängt werden.

Aufnahmen zum Teil als Beweismittel bei gerichtlichen Entscheidungen verwertet

Dem gegenüber steht das schützens­werte Interesse des Geschädigten eines Verkehrs­unfalles, der durch die Film­aufnahme der Dashcam seine Unschuld beweisen könnte.

Mit dem Fortschritt der Technik, der Dashcams immer preiswerter werden ließ und der – möglicher­weise durch Youtube-Videos inspirierten – steigenden Verwendung in Fahrzeugen kam es zu ersten gerichtlichen Entscheidungen, die die Aufnahmen zum Teil als Beweis­mittel verwerteten und zum Teil ein Beweis­verwertungs­verbot sahen.

Nunmehr hatte sich der Bundesgerichtshof mit der Verwert­barkeit einer Dashcam-Aufnahme als Beweis­mittel in einem Zivil­prozess zu beschäftigen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.2018, Az. VI ZR 233/17).

BGH bejaht unzulässige Videoaufnahme

Während der dortige Kläger in den ersten beiden Instanzen unterlegen war, weil dort die Video­aufzeichnung seiner Dashcam nicht verwertet worden war, hat der Bundes­gerichts­hof nunmehr der Revision des Klägers stattgegeben und das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück­verwiesen.

Zunächst hält der Bundes­gerichts­hof fest, dass es sich – zumindest im entschiedenen Einzelfall – um eine unzulässige Video­aufnahme handelte, da sie unter Verstoß gegen datenschutz­rechtliche Vorschriften erstellt worden war.

Verwertbarkeit der Aufnahmen ist aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall zu klären

Sodann nimmt der Senat eine Interessen- und Güter­abwägung nach den Umständen des Einzelfalls vor. Gegenüber­gestellt werden einerseits die Interessen des Klägers an der Durch­setzung seiner Ansprüche, seinem Recht auf rechtliches Gehör und das Interesse an einer funktionierenden Zivilrechts­pflege sowie anderer­seits das Recht des Unfall­gegners auf informationelle Selbst­bestimmung und ggf. das Recht am eigenen Bild.

Unzulässige Videoaufnahme führt nicht zwingend zum Beweisverwertungsverbot

Hier gelangt der Bundes­gerichts­hof zu der, aus Sicht des Verfassers zutreffenden Entscheidung, einer Verwert­barkeit der Dashcam-Aufnahme als Beweis­mittel. Das Beweis­erhebungs­verbot aufgrund einer unzulässigen Video­aufnahme führt nicht zwingend zu einem Beweis­verwertungs­verbot.

So hatte sich der gefilmte Unfall­gegner freiwillig in den öffentlichen Straßen­raum begeben und sich somit selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrs­teilnehmer ausgesetzt. Zudem hatte die Dashcam nur Vorgänge aufgezeichnet, die für Jedermann wahrnehmbar gewesen wären. Die häufige Beweisnot von Geschädigten eines Unfalles spielte ebenso eine Rolle, wie das besondere Gewicht ihrer Beweis­interessen, dem beispiels­weise durch die Straf­barkeit des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Rechnung getragen wird.

Urteil ist Einzelfallentscheidung

Etwas enttäuschend ist, dass das Urteil des Bundes­gerichts­hofs lediglich den verhandelten Einzelfall betrifft und keine Grundsatz­entscheidung für oder gegen den Einsatz von Dashcams gefällt wurde. Allerdings hat der Senat darauf hingewiesen, dass es technisch möglich sei, mittels Dashcams auch kurze und anlass­bezogene Video­sequenzen des unmittelbaren Unfall­geschehens zu gestalten – nämlich dann, wenn in kurzen Abständen die früheren Aufzeichnungen der Dashcam durch neue überschrieben werden und die dauerhafte Speicherung erst bei einer Kollision oder starken Verzögerung des Fahrzeugs ausgelöst wird.

Kein Freibrief zum Betrieb einer Dashcam

Das zumindest könnte als „Anleitung“ verstanden werden, eine Dashcam so zu betreiben, dass datenschutz­rechtliche Vorschriften nach Möglichkeit nicht tangiert werden – ein Freibrief zum Betrieb einer Dashcam freilich ist dies nicht.

Gleichwohl geht der Weg aus Sicht des Verfassers in die richtige Richtung und die Verkaufs­zahlen von Dashcams dürften in Folge der Entscheidung des Bundes­gerichts­hofs sicherlich weiter steigen

Ein Fachbeitrag von [Anbieter­kenn­zeichnung]

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