Beim diesjährigen Verkehrsgerichtstag stehen die Fragen zweier Arbeitskreise im Zentrum des Interesses. So beschäftigt sich der Arbeitskreis V mit der Frage der Ablenkung von Verkehrsteilnehmern durch moderne Kommunikationstechniken und der Arbeitskreis III mit der Frage, ob neue Promillegrenzen für Radfahrer eingeführt werden sollten.
Neue Promillegrenzen für Radfahrer?
Für Fahrradfahrer liegt die Grenze der strafbewehrten, so genannten absoluten Fahruntüchtigkeit nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.05.2008, Az. BVerwG 3 C 32.07). Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat sprach sich erst kürzlich für eine Reduzierung der Promillegrenze auf 1,0 aus. Eine Bestrafung von Radfahrern unterhalb einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille verlange nach Ansicht des Arbeitskreises den Nachweis alkoholbedingten Fehlverhaltens, der in der Praxis auch für Radfahrer nicht immer leicht zu führen ist. Im Unterschied zu Kraftfahrern existiert für Radfahrer bislang kein bußgeldbewehrter Gefahrengrenzwert, wie er in § 24a Straßenverkehrsgesetz vorhanden ist.
Derzeit verfügbare rechtsmedizinische Untersuchungen zu den Auswirkungen von Alkohol auf die Fahrtüchtigkeit von Fahrradfahrern stammten aus den frühen 80er Jahren. Vor diesem Hintergrund wurden aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen mit der Frage durchgeführt, ob bei dem immer dichter werdenden Straßenverkehr die Grenze von 1,6 Promille, die erst nach sehr erheblichem Alkoholkonsum erreicht wird, noch sinnvoll ist.
Der Arbeitskreis fragt sich, ab welcher Promillezahl betrunkene Fahrradfahrer ein Sicherheitsrisiko sind? In welchem Umfang gefährden alkoholisierte Fahrradfahrer nicht nur sich, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer? Sollten neue Promillegrenzen eingeführt werden?
Ablenkung durch moderne Kommunikationstechniken
Die Entwicklung moderner Kommunikationstechniken befindet sich noch immer auf der Überholspur. Weitreichende Nutzungsmöglichkeiten von Navigationsgeräten und Smartphones locken und verlocken auch den Verkehrsteilnehmer. Die Ortsunabhängigkeit von Mobilfunknetzen sowie des Internets ermöglichen neben dem Telefonieren einen flexiblen Zugriff auf Webinhalte, E-Mails oder etwa soziale Netzwerke – immer und überall. Apps bieten dem Fahrzeugführer aktuelle Informationen über Staus, Blitzer oder Unfälle.
Das Gefährdungspotenzial wird von dem Kraftfahrer, der die Anwendungsvielfalt während der Fahrt nutzt, ausgeblendet. In der Annahme, die Verkehrssituation im Griff zu haben und bei dem verbotenen Smartphonegebrauch zudem lediglich einem geringen Entdeckungsrisiko ausgesetzt zu sein, lenkt er die Aufmerksamkeit weg von der Straße hin zum Gerät – bis zum Unfall.
Während man in den USA jährlich über 3.000 Unfalltote durch „Ablenkung mittels Smartphonenutzung“ beklagt, liegen valide Unfallzahlen im Zusammenhang mit der Nutzung moderner Kommunikationstechniken für Deutschland noch nicht vor.
Der Arbeitskreis stellt die Frage, welche vorbeugenden Maßnahmen sind Erfolg Versprechend, um dem Ablenkungsanreiz entgegenzusteuern? Er will dabei juristische und psychologische Aspekte der Thematik ausleuchten und Lösungsansätze erörtern.
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