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Bademode unterliegt wie jede Mode sich ständig wandelnden Trends. Gleiches gilt für Verhaltensnormen – für das, was eine Gesellschaft für sozial akzeptabel hält. Wer in Deutschland an Strand, Fluss oder Badesee schwimmen geht oder ein Sonnenbad nimmt, unterliegt einigermaßen freizügigen Verhaltensregeln. Rechtlich werden an den Sonnenhungrigen keine allzu hohen Anforderungen gestellt. § 118 OWIG verbietet bußgeldbewehrt die „Belästigung der Allgemeinheit“. Abseits sexueller Bezüge lässt sich jedoch Nacktheit am Strand nicht dieser Norm subsumieren.
Ein solches Maß an Freizügigkeit ist aber nicht selbstverständlich. Das geht auch anders: Dazu kann man in die Welt reisen oder in die Geschichte. Am 18.08.1932 wurde unter dem stellvertretenden Reichskommissar für Preußen, Franz Bracht, eine „Badepolizeiverordnung“ erlassen:
Preußische Badepolizeiverordnung
§ 1. Das öffentliche Nacktbaden oder Baden in anstößiger Badekleidung ist verboten.
Als öffentlich im Sinne dieser Bestimmung gilt das Baden, wenn die Badenden von öffentlichen Wegen oder Gewässern aus sichtbar sind.
Das Problem: Der Versuch, soziale Normen in einen Gesetzestext zu fassen und eine Verhaltensregel aufzustellen, scheitert an der unbestimmten Wortwahl. Denn was „anstößige Badekleidung“ sein soll, ist Auslegungssache.
Polizeiverordnung zur Ergänzung der Badepolizeiverordnung
Das erkannte auch das Ministerium und erließ am 28.09.1932 die „Polizeiverordnung zur Ergänzung der Badepolizeiverordnung vom 18. August 1932“:
§ 1
(1) Das öffentliche Nacktbaden ist untersagt.
(2) Frauen dürfen öffentlich nur baden, falls sie einen Badeanzug tragen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt des Badeanzugs darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen.
(3) Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. In sogenannten Familienbädern haben Männer einen Badeanzug zu tragen.
(4) Die vorstehenden Vorschriften gelten nicht für das Baden in Badeanstalten, in denen Männer und Frauen getrennt baden.
(5) Die Vorschriften des Abs. 2 gelten entsprechend für den Strandanzug der Frauen.
Zwickelerlass: Ein bisschen Sittlichkeit in schwierigen Zeiten
Diese Gesetzesfassung beseitigt zwar das Problem des zu weiten Beurteilungsspielraum, schießt dafür aber in ihrer detailreichen Formulierung über das Ziel hinaus. Ein gefundenes Fressen für Presse und Kabarettisten. Der sogenannte „Zwickelerlass“ wurde zum Sinnbild für einen übergriffigen, regelungswütigen Staat. Abgesehen davon, dass die Frage sittlicher Reinheit in den politischen Stürmen des Jahres 1932 vielleicht nicht gerade das dringlichste Problem darstellte, hatten viele Menschen auch ein ganz praktisches Problem mit der Verordnung: Was sollte ein „Zwickel“ sein?
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Strenge Kleiderordnung außerhalb Deutschlands
Um solch dezidierte Badeanweisungen brauchen sich Badende heute in öffentlichen Gewässern in Deutschland keine Gedanken mehr zu machen. Aber bei aller Häme über die preußische Verordnung: Andere Länder waren – und sind – nicht gerade nachgiebiger. An den Stränden der USA wurde beispielsweise in den Zwanzigerjahren die Frage der Zulässigkeit der Badebekleidung anhand Messungen mit dem Zollstock beantwortet.
„Zwickel“ ist übrigens ein keilförmiger Stoffeinsatz im Schritt.
Siehe zum Thema Badebekleidung auch:
- Badegast hat keinen Anspruch auf Tragen eines String-Tangas (Amtsgericht Würzburg, Urteil vom 11.06.1991, Az. 15 C 813/91)