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Schadensersatzrecht | 08.05.2019

Abgas­skandal

Mercedes-Benz und der Abgas­skandal: Landgericht Stuttgart verurteilt die Daimler AG zum Schadens­ersatz

Anspruch auf Schadens­ersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser

Auch Mercedes-Benz ist in den Abgas­skandal involviert. Das Landgericht Stuttgart sprach jüngst gleich in mehreren Urteilen den Klägern Schadens­ersatz­ansprüche gegen die Daimler AG zu (23 O 172/18; 23 O 178/18; 23 O 180/18).

Dabei ging es um Mercedes-Benz-Diesel-Fahrzeuge mit dem Motor OM 651: einen C 250 D Baujahr 2016 und einen E 250 CDI Baujahr 2011. Der Motortyp OM 651 war seinerzeit der meist­verkaufte Dieselmotor bei Mercedes-Benz. Er wurde ab dem Jahre 2016 sukzessive durch den neueren Motortyp OM 654 ersetzt. In einem weiteren Fall ging es um einen Motor OM 626, Euro 6. Dieser war in einen Mercedes Benz Typ C 200d eingebaut. Auch Fahrzeuge der S-Klasse stehen im Verdacht, vom Abgas­skandal betroffen zu sein. Das betrifft Fahrzeuge mit dem Motor OM 642. Dieser wurde von 2008-2016 in zahlreichen Modell­reihen verbaut, so auch in der S-Klasse.

Rückruf durch KBA

Einige Modelle mit dem Motortyp OM 651 wurden mittlerweile vom Kraft­fahrt­bundes­amt zurück­gerufen. Neben dem Transporter Vito sind u.a. auch Modelle der C-, E- und S-Klasse sowie die Gelände­wagen GLC, ML und der G-Klasse davon umfasst. Bei vielen Fahrzeug­modellen ist nur ein bestimmter Produktions­zeitraum vom Rückruf betroffen.

Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Nach den Feststellungen des Land­gerichts Stuttgart verfügten die Fahrzeuge über eine unzulässige Abschalt­einrichtung. Deshalb sprach es den Käufern Schadens­ersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu. Die Rechts­grundlage ist § 826 BGB. Selbst wenn es keinen offiziellen Rückruf durch das Kraft­fahrt­bundes­amt gibt, bestehen sehr gute Erfolgs­aussichten.

LG Stuttgart bewertet Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtungen

Die Fahrzeuge verfügten über die sogenannte Abgas­rückführung, eine Technologie zur Reduktion des Stickoxid­ausstoßes (NOx). Die Abgas­rückführung wird bei den Motoren des Typs OM 651 bei bestimmten Temperaturen zurück­gefahren (Thermo­fenster). Dies stellt nach Auffassung des LG Stuttgart eine Abschalt­einrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 dar, da gerade das Abgas­rückführungs­system bzw. eine Software die Außent­emperatur erkennt und die Funktion des Emissions­kontroll­systems verändert. Dadurch wird die Wirksamkeit des Emissions­kontroll­systems infolge der Reduktion der Abgas­rückführung unter normalen Bedingungen des Fahrzeug­betriebs verringert. Die Wirksamkeit des Emissions­kontroll­systems wird durch das entsprechende System an die Fahr- und Umwelt­bedingungen, die bei normalem Fahrbetrieb herrschen, angepasst. Unerheblich ist dabei, in welchem Maß eine Verringerung der Abgas­rückführung erfolgt, da Art. 3 Nr. 10 EG VO 715/2007 eine solche Differenzierung nicht erlaubt und schlicht jede Ver­änderung der Wirksamkeit des Emissions­kontroll­systems als Abschalt­einrichtung zu qualifizieren ist. Eine solche Abschalt­einrichtung wäre nur dann aus­nahmsweise zulässig, wenn die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung zu schützen (Art. 5 Abs. 2 lit. a EG VO 715/2007). Das ist vorliegend nach den Feststellungen des Gerichts nicht der Fall.

Einbau einer Abschalteinrichtung nicht gerechtfertigt

Die Ausnahme­regelung des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 EG VO 715/2007 ist sehr eng auszulegen. Wer als Fahrzeug­hersteller von dem Verbot abweichen will, muss dies besonders recht­fertigen. Der Notwendigkeit im Sinne des Art. 5 Abs. 2 EG VO 715/2007 liegt insbesondere dann nicht vor, wenn sich die Abschalt­einrichtung durch Konzeption, Konstruktion oder Werkstoff­wahl vermeiden lässt.

Es ist demnach nicht bereits ausreichend, dass überhaupt individuelle technische Situationen auftreten können, in denen die Abschalt­einrichtung zum Motorschutz oder zum sicheren Betrieb erforderlich ist, sondern darüber hinaus wäre unter Einbeziehung der zu dieser technischen Situation führenden Gründe erforderlich, dass auch diese notwendigerweise vorliegen, also generell unvermeidbar sind. Derartige Gründe liegen jedoch nicht vor. Unzweifelhaft nicht notwendig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a EG VO 715/2007 ist eine solche Abschalt­einrichtung, die aus Motorschutz­gesichts­punkten ununterbrochen arbeitet und damit den Zielsetzungen der Verordnung hinsichtlich einer eingehenden Kontrolle der Emissions­werte im Straßen­betrieb und einem grund­sätzlichen Verbot von Abschalt­einrichtung ein komplett zuwiderläuft.

Anspruch auf Schadensersatz auch nach Software-Updates

In Bezug auf den zivilrechtlichen Schadens­ersatz­anspruch des Käufers gegen den Hersteller bleibt der Schadens­ersatz­anspruch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung trotz des Software-Updates bestehen, selbst wenn das Thermo­fenster durch ein Software-Update oder sonstige Maßnahmen nachträglich verändert oder beseitigt wird. Nach der Rechtsprechung ist der Schaden bereits mit Eingehen des ungewollten Vertrages eingetreten und wird durch nach­trägliche Maßnahmen nicht beseitigt.

Nutzen Sie Ihre Chancen - machen Sie Ihre Ansprüche geltend

Betroffene Erwerber sollten nicht zögern, ihre Ansprüche geltend zu machen! Das gilt auch für Leasing­nehmer. Klagen können nach Wahl des Klägers sowohl beim Landgericht Stuttgart, als auch bei dem für den Wohnsitz des Erwerbers zuständigen Landgericht anhängig gemacht werden.

Ein Fachbeitrag von [Anbieter­kenn­zeichnung]

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