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Erbrecht | 17.11.2020

Testament

Tischplatte oder Tätowierung: Welche Ober­flächen eignen sich für den letzten Willen?

Auch ungewöhnliche Testaments­formen gelten - solange die Unterschrift nicht fehlt

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Ronny Jänig

Seit dem Inkraft­treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vor über 120 Jahren gilt, dass die letztwillige Verfügung in der Form eines Testaments zur Nieder­schrift eines Notars oder eigen­händig errichtet werden können. Immer wieder haben Gerichte sich mit ungewöhnlich errichteten handschriftlichen Testamenten und deren Wirksamkeit auseinander zu setzen.

An das eigen­händige Testament und dessen Form werden auf den ersten Blick relativ wenige Voraus­setzungen gestellt, damit es zumindest formwirksam ist: es muss vollumfänglich handschriftlich vom Erblasser selbst verfasst und von ihm unter­schrieben sein. Dass auch (und gerade) der Inhalt von testamentarischen Verfügungen zu Streit und Aus­legungs­schwierigkeiten führt, die häufig in gerichtliche Auseinander­setzungen münden, ist ebenfalls Realität.

Entspricht jedoch das, was der Verstorbene als seinen letzten Willen formulieren wollte, nicht der vorgesehenen Form, ist es von vornherein unwirksam und auf dessen Inhalt kommt es nicht mehr an.

Testament auf Tischplatte eines Holztische

Das Amtsgericht Köln hatte sich mit einem ungewöhnlichen Fall zu beschäftigen, in dem ein Verstorbener mehrere letztwillige privat­schriftliche Testamente verfasst hatte bzw. verfassen wollte (AG Köln Beschluss vom 25.05.2020 – 30 VI 92/20).

Ein kinderloser Mann war Anfang 2019 verstorben und hatte mehrere letztwillige handschriftliche und sich teils widersprechende Verfügungen hinter­lassen.

Unter anderem hatte er mit einem Filzstift – jedoch nicht unter­zeichnetes - auf der Tischplatte eines Holztisches Schrift­stück vom 22.04.2017 verfasst, in welchem er eine nicht mit ihm verwandte Frau zu seiner Alleinerbin bestimmt hatte.

Auf dem Tisch lag neben diesem mit Filzstift verfassten Testament u.a. ein mit Kugel­schreiber zweiseitig beschriebenes Blatt. Auf der Vorderseite dieses Papiers fand sich eine Verfügung vom 03.07.2015, mit welcher der Bruder und einziger noch lebende Angehörige des Verstorbenen als Alleinerbe eingesetzt war. Auf der Rückseite dieses Blattes jedoch hatte der Erblasser seinen Bruder mit Datum vom 23.04.2018 ausdrücklich enterbt.

Die in dem auf dem Tisch benannte Frau beantragte auf der Grundlage dieses „Tisch­testaments“ einen Erbschein, der vom Nachlass­gericht zurück­gewiesen wurde.

Stoff spielt für Gültigkeit des Testaments keine Rolle

Der auf der Grundlage des „Tisch­testamentes“ gerichtete Antrag war zurück­zuweisen, weil der Erblasser keine form­gültige Erb­einsetzung vorgenommen hat.

Ein Testament kann von testier­fähigen Personen durch eine eigen­händig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Allgemein anerkannt ist, dass Testamente auch auf anderen Materialien als auf Papier verfasst werden können, sofern der testamentarische Wille stofflich manifestiert ist. Der Stoff einer Urkunde spielt für die Gültigkeit des Testaments keine Rolle und kann daher auch aus Holz, Schiefer­tafeln, Glas, Kohlepapier, einem Notizzettel, einem Bierdeckel etc. bestehen.

Tätowierung – Haut als geeigneter „Stoff“?

Noch nicht geklärt, aber vermutlich ausreichend, dürfte eine Tätowierung sein, jedenfalls sofern sicher­gestellt ist, dass der Tätowierungs­vorgang tatsächlich eigen­händig von dem Erblasser selbst vorgenommen wurde – also ohne Schreib­hilfe durch Dritte (z.B. des Täto­wierers). Bislang nicht entschieden ist auch der Fall, in welchem der Erblasser auf seiner Haut den Text seiner Verfügung und seine Unterschrift selbst mit einem Stift vorschreibt und der Tätowierer diesen anschließend in die Haut nachsticht.

Eigenhändige Unterschrift zwingend erforderlich

In dem vorliegenden Fall sah das Nachlass­gericht den Textinhalt der letztwilligen Verfügung und dessen stoffliche Mani­festierung auf der Tischplatte als ausreichend im Sinne des Gesetzes an.

Es fehlte jedoch an dem weiteren zwingenden Erfordernis der eigen­händigen Unterschrift des Erblassers, da eine solche weder auf der Tischplatte selbst noch auf den übrigen Teilen des Tisches, wie etwa den Tischbeinen, vorhanden war.

Durch die Unterschrift soll ein Mindestmaß an Rechts­sicherheit gewähr­leisten werden und die Identifikation des Erblassers sowie sein Bekenntnis zum Inhalt und den Abschluss des Testaments sicher­stellen.

Dass neben dem Text des Tisch­testaments das Blatt mit den vorder- und rückseitig vom Erblasser beschriebenen und unter­schriebenen weiteren Verfügungen vom 03.07.2015 und vom 23.0.3.2018 lag, mit welchem der Erblasser seinen Bruder als Alleinerben eingesetzt und anschließend enterbt hatte, reichte nicht aus, um einen ausreichenden Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Tisch­testament herzuleiten.

Testament mit mehreren Seiten

Aus­nahmsweise können zwar in Fällen, in denen ein Testament aus mehreren nicht untrennbar miteinander verbundenen Blättern besteht, diese Blätter aber erkennbar in engem Zusammenhang stehen und eine einheitliche Willens­erklärung enthalten, eine Unterschrift nur auf dem letzten Blatt ausreichen, um dem strengen Unterschrifts­erfordernis zu genügen. Dies setzt jedoch voraus, dass die Zusammen­gehörigkeit der einzelnen Blätter zweifelsfrei ist, zum Beispiel aufgrund einer Nummerierung mit Seiten­zahlen, eines fortlaufenden Textes oder des Schreib­materials, und die Unterschrift deshalb den gesamten Urkunden­text räumlich abschließt und somit inhaltlich deckt.

In dem entschiedenen Fall jedoch konnte das lose auf dem Tisch gelegte und mit Kugel­schreiber geschriebene Testament vom 23.04.2018 als in keinem ausreichend engen Zusammenhang mit dem streit­gegen­ständlichen auf der Tischplatte mit dickerem Filzstift verfassten Testament erkannt werden. Es fehlte auch an jeglicher textlicher Bezugnahme und an einer zumindest losen, einen Zusammenhang aber herstellenden körperlichen, Verbindung der Verfügungen.

Das Tisch­testament war somit mangels Unterschrift unwirksam und die eigentlich als Alleinerbin bestimmte Dame ging leer aus.

Anwaltliche Beratung sinnvoll

Für die Praxis belegt diese Ent­scheidung erneut, wie wichtig es ist, sich bei der Abfassung eines Testaments rechtzeitig rechtlich beraten zu lassen. Auch wenn die Form­vorschriften relativ überschaubar sind, sind von Privat­personen verfassten Testamente in vielen Fällen unwirksam. Die gesetzliche Erbfolge entspricht selten den Wünschen des Erblassers und diese lässt sich auch mit überschaub­arem Aufwand ändern. Nur, nichts ist für die eigentlich Bedachten unerfreulicher, als ein unwirksames Testament, denn ein solches gilt als nicht geschrieben.

Ein Fachbeitrag von

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