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Arzthaftungsrecht und Schadensersatzrecht | 06.03.2017

Schmerzens­geld

Verzögerungst­aktik: Wenn die Versicherung nicht zahlen will

Landgericht Karlsruhe spricht deutliche Worte und sanktioniert dieses Verhalten

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Thomas Gfrörer

Schmerzens­geld muss schnell gezahlt werden. Sobald die Haftung feststeht und der Schaden überschaubar ist, muss die gegnerische Versicherung, wenn schon nicht die ganze Summe, dann zumindest hohe Abschlags­zahlungen auf das Schmerzens­geld leisten. Denn nur dann, so die Rechtsprechung, kann das Schmerzensgeld seine Funktion, ein Ausgleich für entgangene Lebens­qualität und Lebens­freude zu sein, am besten erfüllen.

Spiel auf Zeit

Doch Versicherungen spielen gerne auf Zeit. Sie kommen ihrer Verpflichtung nicht immer nach, finden 1001 Ausflüchte, um nicht zahlen zu müssen – wie wir es einmal mehr in einem unserer aktuellen Fälle erfahren mussten.

Doch das Landgericht Karlsruhe hat reagiert und mit Urteil vom 22.12.2016 (AZ: 7 O 20/12) das unangemessene und zögerliche Regulierungs­verhalten dieser Versicherung mit einer drastischen Schmerzens­geld­erhöhung sanktioniert.

Der Fall

Die Mutter des kleinen S. wurde in der letzten Schwangerschafts­woche wegen extrem starker Blutungen als Notfall ins Krankenhaus eingeliefert. Bevor Ankunft des Kranken­wagens, beseitigte die Mutter die sichtbaren Folgen der Blutung, so dass ihr Fall von der Ärztin nicht ernst­genommen wurde. Sie hat die Anzeichen einer Plazenta­ablösung nicht erkannt und den fälligen Not­kaiser­schnitt viel zu spät veranlasst.

Der Säugling kam mit schweren bleibenden Schäden – einem Hirnödem und vollständigem Nieren­versagen – zur Welt. Das Kind wird Zeit seines Lebens auf fremde Hilfe und ärztliche Behandlung angewiesen sein. Es wird nie das Leben eines gesunden Gleich­altrigen führen können. Nach dem ersten Schock und nachdem mehrere Gutachten den folgenschweren Behandlungs­fehler eindeutig bestätigten, ent­schlossen sich die Eltern gegen die behandelnden Ärzte bzw. das Krankenhaus zu klagen.

Die Versicherung mauert

Die Versicherung zeigte sich zwar nach außen vergleichs­bereit, stieg jedoch nie ernsthaft in Vergleichs­verhandlungen ein. Vielmehr torpedierte sie die Regulierung von Anfang an, hat die positiven Gutachten ignoriert und hat mehr als 6 Monate auf Anfragen überhaupt nicht reagiert. Ein erneutes Einschalten des Gerichts half ebenso wenig weiter wie ein neues positives Gutachten.

Da das Kind sich zum Glück besser entwickelte, als zunächst angenommen, wurde das zu Beginn der Verhandlungen geforderte Schmerzens­geld von 350.000 Euro auf 160.000 bis 180.000 Euro reduziert. Doch auch das brachte kein Entgegen­kommen der Versicherung. Nach Ausschöpfung der gesetzlichen Fristen teilte sie lapidar mit, man sei von der Haftung dem Grunde nach nicht überzeugt, eine gütliche Einigung scheide aus.

Entwürdigendes Verhalten des Versicherers führt zu Schmerzensgelderhöhung

Bei der letzten Verhandlung im Dezember 2016 schätzten die drei Richterinnen des Land­gerichts Karlsruhe die Einwände der Versicherung als „teilweise derart unverständlich, dass sie nicht mehr als der Beklagten selbstverständlich zustehenden Maßnahmen der Rechts­verteidigung qualifiziert werden können“ ein. Sie haben dieses entwürdigende Verhalten in ihrem Urteil als schmerzens­geld­erhöhend berücksichtigt. Statt der ursprünglich geforderten 160.000 bis 180.000 Euro verurteilten sie die Versicherung auf die Zahlung von 350.000 Euro Schmerzens­geld – nahezu eine Verdoppelung der geforderten Summe

Dieser Fall zeigt einmal mehr, wie Versicherungen Geschädigte in unverständlicher Weise hinhalten und ganz klar begründete Zahlungen mit nicht nach­vollziehbaren Begründungen um viele Monate, teilweise auch um Jahre verzögern. Das Landgericht Karlsruhe hat hier deutliche Worte gesprochen und dieses Verhalten angemessen sanktioniert.

Ein Fachbeitrag von [Anbieter­kenn­zeichnung]

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