Muss Volkswagen auch dann Schadensersatz wegen unerlaubter Abschalteinrichtungen zahlen, wenn der erst nach Auffliegen des Abgasskandals erworben wurde?
BGH macht klagenden VW-Kunden wenig Hoffnung
Im gestrigen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es um den Fall eines VW-Kunden, der seinen Touran erst gekauft hatte, nachdem die Softwaremanipulationen ans Licht gekommen waren. Die Vorinstanzen, das Landgericht Trier und das Oberlandesgericht Koblenz, hatten seine Klage zurückgewiesen. Dieser Haltung hat sich der BGH angeschlossen (Az. VI ZR 5/20). Aufgrund einer Ad-hoc-Mitteilung, die Volkswagen am 22. September 2015 herausgegeben hatte, und der nachfolgenden umfangreichen Medienberichterstattung ging der Senat nicht davon aus, dass der Käufer das Fahrzeug völlig arglos erworben habe. Schadensersatz steht ihm somit offenbar nicht zu. Allerdings steht hier noch die Urteilsbegründung aus. Schlussendlich wird es hier auf den Einzelfall ankommen.
BGH ist skeptisch: Deliktzinsen sind „nicht gerechtfertigte Überkompensation“
Im zweiten VW-Verfahren erteilte das Gericht dem Anspruch auf deliktische Zinsen eine Absage (Az. VI ZR 397/19). In der Vergangenheit hatten etliche Gerichte Klägern im Abgasskandal zusätzlich zum Schadensersatz Zinsen in Höhe von vier bis fünf Prozent seit dem Autokauf zugesprochen - eine Summe, die sich leicht auf mehrere tausend Euro belaufen kann. Bereits bei einer Verhandlung am 21. Juli hatte der Senat angedeutet, dass er die Deliktzinsen für eine „nicht gerechtfertigte Überkompensation“ halte. Diese Auffassung hat der Vorsitzende Richter im gestrigen Verfahren noch einmal bekräftigt.
Deliktzinsen: Einzelfallentscheidung
„Die Entscheidungen, die sich hier abzeichnen, klingen erst einmal nicht sehr verbraucherfreundlich“, erklärt Verbraucherschutzanwalt Dr. Marco Rogert. „Doch diese Messe ist noch nicht gelesen. Bei beiden Themen wird es im Einzelfall auf die Details ankommen. Ob eine Ad-hoc-Mitteilung Dieselkäufer wirklich in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob in dem konkreten, von ihnen gewählten Fahrzeug eine illegale Abschalteinrichtung wirkt, kann man durchaus bezweifeln. Und bei den deliktischen Zinsen stellt sich die Frage, ob man die Nutzung des Fahrzeugs nach Eingang der Klage für legal hält, oder nicht. In letzterem Fall sind deliktische Zinsen sehr wohl begründet.“
Der Abgasskandal ist lange nicht vorbei
„Auch wenn bei Volkswagen nun vielleicht die Sektkorken knallen, ist der Abgasskandal für den Konzern noch lange nicht vorbei“, unterstreicht der Abgasskandal-Experte. „Zu viele Fragen sind noch ungeklärt - nicht zuletzt aufgrund der VW-Verschleierungstaktik. Was ist zum Beispiel mit dem T5? Auch der 'Bulli' ist mit dem Skandalmotor EA 189 und illegalen Abgaseinrichtungen ausgestattet. Nur bestreitet Volkswagen das bis heute und der T5 stand auch nie auf der offiziellen Liste der betroffenen Fahrzeuge. Überdies steht zur Rechtmäßigkeit von Abschalteinrichtungen noch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus. Diese kann durchaus ergeben, dass auch die Software-Updates, die Volkswagen aufgespielt hat, illegal sind. Und was ist mit Dieseln der Konzernmarken Audi, Seat und Skoda? Wann sollen Käufer dieser Fahrzeuge gewusst haben, dass auch hier das Abgassystem manipuliert wurde? Ganz zu schweigen von weiteren betroffenen Motoren wie dem EA 288, dem EA 897 und dem EA 898. Und dann sind da auch noch BMW, Daimler, Volvo und viele andere Autobauer, die ihre Kunden getäuscht haben. Der Abgasskandal wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen.“