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Mietrecht | 27.11.2020

Gewerbe­miete

Kehrtwende in München: LG München stuft Corona-Pandemie als Mietmangel ein

Nicht unbedacht Miete mindern – ggf. Mietvertrag anpassen!

Bereits währen des Lockdowns wurde diskutiert, ob Gewerbe­mieter und Pächter neben der Stundungs­möglichkeit ein Recht zur Minderung der Miet­zahlungen bzw. Pacht­zahlungen nach § 536 BGB haben. Das würde dazu führen, dass gestundete Mieten nicht in voller Höhe nachbezahlt werden müssten. Im Falle voll bezahlter Mieten würde ein Recht zur Minderung einen Erstattungs­anspruch des Mieters / Pächters auf Zahlung von zu viel bezahlter Miete / Pacht bedeuten.

Dieser Auffassung traten jedoch zwei Land­gerichte klar entgegen. Das Landgericht Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020, Az.: 5 O 66/20) und das Landgericht Zweibrücken (Urteil v. 11.09.2020, Az.: HK O 17/20) erkannten kein Recht zur Miet­minderung wegen „Corona als Mangel“. Bei behördlichen Schließungs­anordnungen und daraus resultierenden Umsatz­einbrüchen von bis zu 100 % würde schlichtweg kein Mangel der Mietsache vorliegen. Mehr dazu lesen hier im Beitrag „Corona ist kein Mangel“

Verbreiteter ist hingegen die Auffassung, dass § 313 BGB („Störung der Geschäfts­grundlage“) zur Anwendung kommt. Danach hat eine Vertrags­partei Anspruch auf Anpassung des Vertrages, wenn das Festhalten am Vertrag in Anbetracht einer vollkommen veränderten Situation unzumutbar ist. Hinzu muss jedoch kommen, dass man den Vertrag so nicht geschlossen hätte, wenn man eingetreten Entwicklung vorher­gesehen hätte. Mehr dazu lesen im Beitrag „Störung der Geschäftsgrundlage - Anpassung Mietvertrag?“

LG München: Folgen von Corona sind Mietmangel

Ein Gericht in Deutschland bewertete die Lage nun anders. Das Landgericht München hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Gewerbe­mieter die Mieten für April, Mai und Juni 2020 einbehalten hatte. Nun war er nur bereit, eine geminderte Miete für diesen Zeitraum zu bezahlen.

Der Auffassung des Mieters schloss sich das LG München an. Es kam in seinem Urteil vom 22. September 2020 zu dem Ergebnis, dass der gewerbliche Mieter eine großen Laden­fläche in bester Innenstadt­lage in München die Miete für April, Mai und Juni `20 erheblich mindern durfte: 80 % Miet­minderung für den Monat April, 50 % Miet­minderung für Mai, 15 % Miet­minderung im Juni.

Bei seiner Urteils­findung beruft sich das LG München auf Urteile des Reichs­gerichts aus den 1910er Jahren. In insgesamt drei Entscheidungen hatte das Reichs­gericht ein Minderungs­recht für eine Tanzlokal, eine nächtliche Wein­schänke und ein Laden­geschäft anerkannt: die Betriebe mussten infolge (militär-)behördlicher Verfügungen ihren Betrieb für ein bestimmte Zeit unter­brechen.

Das Landgericht München war dabei – wie das RG mehr als 100 Jahre zuvor – der Auffassung, dass die „Un­brauchbarkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch“ (= Mietmangel!) ihren Ursprung in einer Behörden­verfügung haben oder auf einer öffentlich-rechtlichen Regelungen basieren kann.

Einordnung dieser Entscheidung

Die rechtliche Beurteilung an diesem Punkt kann man durchaus kritisch sehen, vor allem in Anbetracht einer anders lautenden Rechtsprechung des BGH in den letzten 20 Jahren. Denn ein Mangel der Mietsache liegt nur vor, falls die beschränkte Nutzbarkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ihre Ursache in der Beschaffenheit der Mietsache selbst (also der Gewerbe­flächen!) oder der Beziehung zur Umwelt hat. Kann man hingegen die die Gewerbe­fläche theoretisch uneingeschränkt weiter nutzen, darf es aber aufgrund behördlicher Anordnungen nicht, handelt es sich nicht um einen Mietmangel (u.a. BGH, Urteil v. 16.02.2000; Az.: XII ZR 297/97). Und exakt so lag der Fall im Falle der behördlichen Betriebs­untersagungen bzw. -einschränkungen im Frühsommer 2020 – wie auch die Land­gerichte Heidelberg und Zweibrücken urteilten.

LG bejahrt Anspruch aus § 313 BGB

Die Lösung des Problems über § 313 BGB und der damit verbundene Anspruch auf Anpassung des Miet­vertrags hinsichtlich der Miethöhe für den Zeitraum der Beschränkungen, bejaht das LG München lapidar. Es weist lediglich darauf hin, dass über § 313 BGB nur eine Anpassung des Vertrages hinsichtlich Miethöhe möglich wäre. Wenn es zu einer Anpassung käme, müsse sich die Anpassung sich in dem Rahmen bewegen, in dem sich auch die Minderung wegen Mangel bewegt.

Miete bitte nicht unbedacht mindern – ggf. Mietvertrag anpassen!

Was ergibt sich nun für Gewerbe­mieter oder Pächter aus diesem Urteil? Ein Landgericht hat nun angenommen, dass eine Miet­minderung möglich ist. Zwei Land­gerichte haben exakt gegenteilig geurteilt. Weitere Entscheidungen zu diesem Thema – auch in unserem Mandanten­kreis – stehen aus. Insofern ist die Rechtslage derzeit wenig verlässlich. Von eigenmächtigen Miet­minderungen für das Frühjahr wegen Corona-Beschränkungen sollte man zumindest solange absehen, bis eine höchst­richterliche Ent­scheidung des BGH exakt zu diesen Fällen vorliegt. Alternativ bietet es sich an, mit dem Vermieter bzw. Verpächter rückwirkend eine Einigung für den Frühsommer 2020 zu treffen und bei dieser Gelegenheit den Mietvertrag für die Zukunft entsprechend anzupassen. Entsprechende Klauseln im Mietvertrag schaffen dann für beide Seiten in der Zukunft in vergleichbaren Situationen Rechts­sicherheit – unabhängig von der Rechtsprechung.

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