Dieser Auffassung traten jedoch zwei Landgerichte klar entgegen. Das Landgericht Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020, Az.: 5 O 66/20) und das Landgericht Zweibrücken (Urteil v. 11.09.2020, Az.: HK O 17/20) erkannten kein Recht zur Mietminderung wegen „Corona als Mangel“. Bei behördlichen Schließungsanordnungen und daraus resultierenden Umsatzeinbrüchen von bis zu 100 % würde schlichtweg kein Mangel der Mietsache vorliegen. Mehr dazu lesen hier im Beitrag „Corona ist kein Mangel“
Verbreiteter ist hingegen die Auffassung, dass § 313 BGB („Störung der Geschäftsgrundlage“) zur Anwendung kommt. Danach hat eine Vertragspartei Anspruch auf Anpassung des Vertrages, wenn das Festhalten am Vertrag in Anbetracht einer vollkommen veränderten Situation unzumutbar ist. Hinzu muss jedoch kommen, dass man den Vertrag so nicht geschlossen hätte, wenn man eingetreten Entwicklung vorhergesehen hätte. Mehr dazu lesen im Beitrag „Störung der Geschäftsgrundlage - Anpassung Mietvertrag?“
LG München: Folgen von Corona sind Mietmangel
Ein Gericht in Deutschland bewertete die Lage nun anders. Das Landgericht München hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Gewerbemieter die Mieten für April, Mai und Juni 2020 einbehalten hatte. Nun war er nur bereit, eine geminderte Miete für diesen Zeitraum zu bezahlen.
Der Auffassung des Mieters schloss sich das LG München an. Es kam in seinem Urteil vom 22. September 2020 zu dem Ergebnis, dass der gewerbliche Mieter eine großen Ladenfläche in bester Innenstadtlage in München die Miete für April, Mai und Juni `20 erheblich mindern durfte: 80 % Mietminderung für den Monat April, 50 % Mietminderung für Mai, 15 % Mietminderung im Juni.
Bei seiner Urteilsfindung beruft sich das LG München auf Urteile des Reichsgerichts aus den 1910er Jahren. In insgesamt drei Entscheidungen hatte das Reichsgericht ein Minderungsrecht für eine Tanzlokal, eine nächtliche Weinschänke und ein Ladengeschäft anerkannt: die Betriebe mussten infolge (militär-)behördlicher Verfügungen ihren Betrieb für ein bestimmte Zeit unterbrechen.
Das Landgericht München war dabei – wie das RG mehr als 100 Jahre zuvor – der Auffassung, dass die „Unbrauchbarkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch“ (= Mietmangel!) ihren Ursprung in einer Behördenverfügung haben oder auf einer öffentlich-rechtlichen Regelungen basieren kann.
Einordnung dieser Entscheidung
Die rechtliche Beurteilung an diesem Punkt kann man durchaus kritisch sehen, vor allem in Anbetracht einer anders lautenden Rechtsprechung des BGH in den letzten 20 Jahren. Denn ein Mangel der Mietsache liegt nur vor, falls die beschränkte Nutzbarkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch ihre Ursache in der Beschaffenheit der Mietsache selbst (also der Gewerbeflächen!) oder der Beziehung zur Umwelt hat. Kann man hingegen die die Gewerbefläche theoretisch uneingeschränkt weiter nutzen, darf es aber aufgrund behördlicher Anordnungen nicht, handelt es sich nicht um einen Mietmangel (u.a. BGH, Urteil v. 16.02.2000; Az.: XII ZR 297/97). Und exakt so lag der Fall im Falle der behördlichen Betriebsuntersagungen bzw. -einschränkungen im Frühsommer 2020 – wie auch die Landgerichte Heidelberg und Zweibrücken urteilten.
LG bejahrt Anspruch aus § 313 BGB
Die Lösung des Problems über § 313 BGB und der damit verbundene Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags hinsichtlich der Miethöhe für den Zeitraum der Beschränkungen, bejaht das LG München lapidar. Es weist lediglich darauf hin, dass über § 313 BGB nur eine Anpassung des Vertrages hinsichtlich Miethöhe möglich wäre. Wenn es zu einer Anpassung käme, müsse sich die Anpassung sich in dem Rahmen bewegen, in dem sich auch die Minderung wegen Mangel bewegt.
Miete bitte nicht unbedacht mindern – ggf. Mietvertrag anpassen!
Was ergibt sich nun für Gewerbemieter oder Pächter aus diesem Urteil? Ein Landgericht hat nun angenommen, dass eine Mietminderung möglich ist. Zwei Landgerichte haben exakt gegenteilig geurteilt. Weitere Entscheidungen zu diesem Thema – auch in unserem Mandantenkreis – stehen aus. Insofern ist die Rechtslage derzeit wenig verlässlich. Von eigenmächtigen Mietminderungen für das Frühjahr wegen Corona-Beschränkungen sollte man zumindest solange absehen, bis eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH exakt zu diesen Fällen vorliegt. Alternativ bietet es sich an, mit dem Vermieter bzw. Verpächter rückwirkend eine Einigung für den Frühsommer 2020 zu treffen und bei dieser Gelegenheit den Mietvertrag für die Zukunft entsprechend anzupassen. Entsprechende Klauseln im Mietvertrag schaffen dann für beide Seiten in der Zukunft in vergleichbaren Situationen Rechtssicherheit – unabhängig von der Rechtsprechung.