Dieser Auffassung traten jedoch zwei Landgerichte klar entgegen. Das Landgericht Heidelberg (Urteil v. 30.07.2020, Az.: 5 O 66/20) und das Landgericht Zweibrücken (Urteil v. 11.09.2020, Az.: HK O 17/20) erkannten kein Recht zur Mietminderung wegen „Corona als Mangel“. Bei behördlichen Schließungsanordnungen und daraus resultierenden Umsatzeinbrüchen von bis zu 100 % würde schlichtweg kein Mangel der Mietsache vorliegen. Mehr dazu lesen hier im Beitrag „Corona ist kein Mangel“
LG München: Folgen von Corona stellen Mietmangel dar
Verbreiteter ist hingegen die Auffassung, dass § 313 BGB („Störung der Geschäftsgrundlage“) zur Anwendung kommt. Dem trat das LG München mit seiner Entscheidung vom 22.09.2020 entgegen. Nach Auffassung des LG München stellen die Folgen von Corona einen Mietmangel i.S.d. § 536 BGB dar.
Nunmehr konstatierte auch das LG Kempten in seiner Entscheidung vom 07.12.2020, dass die corona- bedinget Schließung eines Ladengeschäfts einen Mangel der Mietsache darstellt.
LG Kempten: Auch öffentlich-rechtliche Beschränkungen können einen Mietmangel darstellen
Der Entscheidung des LG Kempten lag ein Rechtsstreit wegen Zahlungsverzugs der Gewerberaummiete zu Grunde. Im Mietvertrag wurde als Mietzweck der Einzelhandel mit Bekleidung und Textilien aller Art vereinbart. Der Mieter musste aufgrund des staatlich angeordneten Corona-Lockdowns sein Ladengeschäft im Frühjahr 2020 für den Publikumsverkehr schließen. Aus diesem Grund zahlte er die Miete für die Monate April und Mai 2020 nicht. Der Vermieter verlangt mit der Klage die vollständige Zahlung der Miete - auch für die Monate, in denen das Ladengeschäft corona-bedingt schließen musste.
Das Landgericht Kempten entschied zu Gunsten des Gewerberaummieters. Nach Auffassung des Gericht können auch öffentlich- rechtliche Beschränkungen einen Mietmangel darstellen, wenn sie sich auf die Beschaffenheit oder Lage der Mietsache beziehen.
Dies war nach Auffassung des Gerichts hier der Fall. Die Höhe der Mietminderung richtet sich nach Auffassung des Gerichts danach, welche Partei das Risiko der corona-bedingten Schließung zu tragen hat.
Hälftige Risikoverteilung zwischen Vermieter und Mieter
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass eine hälftige Risikoverteilung interessengerecht ist. Der Mieter trägt zwar grundsätzlich das Risiko, die Mietsache zum vorgesehenen Zweck verwenden zu können (Verwendungsrisiko), andererseits muss der Vermieter die Räume zum vertraglich vereinbarten Zweck überlassen. Demnach hat sich mit der Corona-Pandemie ein Risiko verwirklicht, das weder dem Mieter noch dem Vermieter vollständig aufzubürden ist, so das LG Kempten.
Daneben stützte das Gericht seine Entscheidung auch auf die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage. Da beide Parteien bei Vertragsabschluss nicht bedacht haben, dass es zu einer Pandemie mit Geschäftsschließungen kommen könnte, liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Auch vor diesem Hintergrund hielt das Gericht eine Anpassung der Miete auf die Hälfte für angemessen.
Einordnung dieser Entscheidung
Die wohl überwiegende Anzahl der Gerichte vertritt bisher jedoch den Standpunkt, dass die Mietzahlungspflicht während corona-bedingter Schließungen grundsätzlich bestehen bleibt. Mittlerweile hat der Gesetzgeber in § 7 des Art. 240 EGBGB geregelt, dass eine Änderung der Geschäftsgrundlage vermutet wird, wenn Gewerberäume aufgrund von Corona-Auflagen nicht mehr zum vertraglich bestimmten Zweck genutzt werden können.
Ausweislich der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber mit dieser Regelung die Verhandlungsposition der Gewerberaummieter stärken. Ob er das auch tatsächlich getan hat, ist jedoch bislang fraglich. Denn die Gesetzesänderung dürfte auch als Fingerzeig dahingehend zu verstehen sein, dass Mietminderungen wegen Corona-Auflagen nunmehr vorrangig im Rahmen einer Störung der Geschäftsgrundlage zu prüfen sind. Dort ist aber - anders als bei einer Minderung gem. § 536 BGB - stets zu prüfen, ob dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt das voraus, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere den Mietern gewährte staatliche Hilfen zu berücksichtigen.
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