Eigentlich bekommt der Gesetzgeber, was er wollte: Mit § 15 AGG sanktioniert er Arbeitgeber, die bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter diskriminieren. Diskriminierte Bewerber haben Anspruch auf Schadenersatz – und zwar selbst dann, wenn sie auch ohne die Diskriminierung den Job nicht bekommen hätten. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es nicht an. Ausreichend kann z.B. eine diskriminierende Stellenanzeige sein.
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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz soll Diskriminierungen verhindern
Wie ernst es dem Gesetzgeber mit seinem Vorgehen gegen Diskriminierung in Bewerbungsverfahren ist, wird durch die Beweislastverteilung des § 22 AGG unterstrichen, wonach bei Vorliegen von Indizien (z.B. diskriminierende Stellenanzeige) nicht der abgelehnte Bewerber die Diskriminierung beweisen muss, sondern der Arbeitgeber die Beweislast dafür trägt, dass kein Verstoß gegen das AGG erfolgt ist.
AGG-Hopper haben es auf Schadenersatz abgesehen
Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist das Phänomen des AGG-Hoppers in Erscheinung getreten – wenn auch in äußerst überschaubarer Zahl. AGG-Hopper sind Personen, die aus den arbeitnehmerfreundlichen Bestimmungen des AGG systematisch Kapital zu schlagen versuchen und sich allein mit dem Ziel, Schadenersatz nach § 15 AGG herauszuholen, auf Stellen bewerben. Antreten wollen sie die Stellen, um die sie sich bewerben, hingegen nicht.
Rechtsmissbrauch bei AGG-Hopping
Dem begegnet die Rechtsprechung mit dem Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Kann der beklagte Arbeitgeber solches dem klagenden abgelehnten Bewerber nachweisen, so entfällt der Entschädigungsanspruch. Die rechtswissenschaftliche Literatur setzt noch früher an und spricht dem Scheinbewerber schon die Stellung des „Bewerbers“ im Sinne des AGG ab.
Auch AGG-Hopper dienen gesetzgeberisch verfolgtem Ziel
Dabei vollziehen diese „AGG-Hopper“ ja durchaus das AGG und unterstützen auf ihre – eigennützige – Weise das gesetzlich verankerte Ziel der Bekämpfung von Diskriminierungen. Aus diesem Grund lässt sich durchaus die Frage stellen, ob es sich bei ihrem Treiben überhaupt um Rechtsmissbrauch handelt. Ferner bestehen europarechtliche Bedenken gegen den Ausschluss von „AGG-Hoppern“ von Entschädigungsansprüchen nach § 15 AGG. Der BGH hat eine entsprechende Klage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.
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Straftat AGG-Hopping: Betrug und Erpressung des Arbeitgebers?
Nach bisheriger Lesart machen sich „AGG-Hopper“ jedoch unter Umständen sogar strafbar. Ihnen kann im Fall der Erhebung einer rechtsmissbräuchlichen Schadenersatzklage (versuchter) Betrug vorgeworfen werden. Zum anderen gibt es Bewerber, die den Arbeitgeber unter Androhung der Erhebung einer solchen Klage zum Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs zu bringen versuchen. Hier ergibt sich die Möglichkeit der Strafbarkeit wegen (versuchter) Erpressung gemäß § 253 StGB.
Erpressung durch Drohung mit Gerichtsverfahren?
Vorgeworfen wird in diesen Fällen das Inaussichtstellen eines Schadenersatzprozesses als empfindliches Übel.
Nun ist es allerdings grundsätzlich so, dass die Androhung eines Gerichtsverfahrens für den Fall, dass eine außergerichtliche Einigung nicht zustande kommt, zum üblichen und legitimen Handwerkszeug bei Vergleichsverhandlungen gehört.
§ 12 a ArbGG: Jede Partei trägt ihre Kosten selbst
Im arbeitsgerichtlichen AGG-Prozess kommt allerdings die Besonderheit hinzu, dass gemäß § 12 a Arbeitsgerichtsgesetz jede Partei des arbeitsgerichtlichen Verfahrens ihre Kosten selbst tragen muss – auch wenn sie den Prozess gewinnt. Ferner ist das Prozessrisiko aufgrund der Beweislastverteilung des § 22 AGG besonders hoch. Auch dass der Bewerber rechtsmissbräuchlich handelt bzw. er ein „AGG-Hopper“ ist, muss ihm der Arbeitgeber erst einmal beweisen können.
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Erpressung: Anwalt teurer als Vergleichszahlung an abgelehnten Bewerber
So kommt es, dass für den Arbeitgeber eine Vergleichszahlung an den abgelehnten und mit einer Klage drohenden Bewerber selbst dann günstiger sein kann, als wenn er es auf eine Klage vor dem Arbeitsgericht ankommen lässt und gewinnt. Denn dann müsste er ja immer noch seine Anwaltskosten für das Gerichtsverfahren selbst bezahlen. Je nach Streitwert ist das dann möglicherweise mehr als die vom Bewerber verlangte Vergleichszahlung.
Der Vorwurf der Erpressung ist in solchen Fällen also nicht ganz so abwegig, wie es auf den ersten Blick erscheint.