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Arbeitsrecht und Sozialrecht | 12.08.2019

Restau­ration

Kunst oder Gewerbe: Ist das Restau­rieren historischer Fassaden künstlerisch oder SOKA-pflichtig?

Bundes­arbeits­gericht muss diese Frage nun beantworten

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Dr. Peter Meides

Müssen Restau­ratoren, die historischen Fassaden von Kirchen und Klöstern Restau­rieren und dort beispiels­weise Schäden im Fassaden­putz mit Pinsel und Skalpell in Detail­arbeit ausbessern, für Arbeit­nehmer Beiträge zu den Sozial­kassen der Bau­wirtschaft (SOKA-Bau) bezahlen? Ist ein Restau­rierungs­betrieb ein bau­gewerbliches Unternehmen?

Die Sozialkasse selbst bejahte diese Fragen – und hatte damit vor dem Landes­arbeits­gericht Erfolg. Doch entschieden ist der Beitrags­streit noch nicht. Der Restaurator, um dessen Unternehmen es geht, hat nicht aufgegeben.

Nun muss das Bundes­arbeits­gericht entscheiden, ob Restau­rierungs­arbeiten mit künstlerischem Bezug unter den VTV fallen, den Tarif­vertrag über das Sozial­kassen­verfahren im Baugewerbe, und damit SOKA-beitrags­pflichtig sind.

Auf historische Fassaden spezialisiertes Restaurieren

Mit feinen Bohrern sowie mit Spritzen und Skalpellen wie in einer Arztpraxis gehen Restau­ratoren zu Werke, wenn sie den Putz alter Fassaden oder andere Teile historischer Gebäude Restau­rieren, Schäden ausbessern und so die denkmal­geschützte Bausubstanz oder kunst­historisch bedeutsame Monumente vor Verfall und schädlichen Umwelt­einwirkungen schützen.

Neben dem Konservieren und Restau­rieren der Bausubstanz selbst fällt ein großer Teil der Arbeitszeit auf detail­lierter Befund­erhebung und Dokumentation sowie das Ausarbeiten eines Konzepts für Restau­rierungs- und Erhaltungs­maßnahmen. Bestimmte Elemente oder Stücke wie etwa Fassaden­schmuck aus Außenstuck müssen zudem abgeformt und modelliert werden. Diese Arbeiten sind so nur für Restau­ratoren typisch sind.

Für die SOKA-Bau nur Stuck- und Putzarbeiten und keine künstlerische Tätigkeit

Dass Restau­rations­betriebe sich deshalb nicht dem klassischen Baugewerbe zurechnen, liegt nahe. Viel eher verorten sie sich im Kunst­handwerk oder sehen sich als künstlerisch tätig. Restau­ratoren mit akademischem oder künstlerischem Hintergrund werden vom Finanzamt als Frei­berufler anerkannt.

Doch wie so häufig gibt die Sozialkasse der Bau­wirtschaft auch bei Restau­rations­betrieben wenig auf deren Selbst­definition oder die Rechtsform. Sie verklagte einen Restaurator aus dem Raum Ulm auf Beitrags­nach­zahlungen in Höhe von mehr als 10.000 Euro. Der Betrieb habe arbeits­zeitlich überwiegend Stuck- und Putz­arbeiten durch­geführt und Mauerrisse verfugt, dies seien laut VTV SOKA-pflichtige Tätigk­eiten.

Schwerpunkt der Tätigkeiten entscheidend

Vor dem Arbeits­gericht Wiesbaden wies der Restau­rations­betrieb darauf hin, dass er gar keine Stuck­arbeiten durch­geführt habe. Der Großteil der Arbeitszeit sei auf Untersuchung und Dokumentation entfallen, etwa auf die Entnahme von Putzproben, also baufremde Arbeiten. Ansonsten, so sagte ein Arbeit­nehmer als Zeuge aus, habe der Schwerpunkt der Arbeiten auf dem Verfüllen von Hohlstellen in der Fassade gelegen.

Das Arbeits­gericht ließ sich davon überzeugen. Die Sozialkasse wurde ihrem klage­freudigen Ruf allerdings auch in diesem Fall gerecht und ging in Berufung. Vor dem Landes­arbeits­gericht Hessen hatte sie dann Erfolg.

LAG: Restaurieren - nicht immer Kunst

Die Richter am LAG befanden, der Restaurator habe Putz- und Stuck­arbeiten und damit gemäß VTV bauliche Tätigk­eiten erbracht. Als Künstler sei er nicht tätig geworden. Außerdem seien die Befund­erhebungen zum Erhaltungs­zustand der Fassaden nur eine Zusammen­hangs­tätigkeit mit dem Beheben dieser Mängel, da der Zweck des Betriebs nicht in einer Gutachter­tätigkeit bestanden habe, sondern im Restau­rieren.

Die Frage nach der künstlerischen Tätigkeit ist für die Frage der SOKA-Pflicht zentral: Künstlerische Arbeiten sind vom Sozial­kassen­verfahren ausgenommen, weil sich dieses auf gewerbliche Tätigk­eiten beschränkt. Restau­rieren ist gemäß der LAG-Ent­scheidung jedoch nur dann eine künstlerische Tätigkeit und damit frei­beruflich, wenn der Restaurator an Kunstwerken arbeitet und dabei individuell gestalten kann. Mauern und Außen­fassaden von Kirchen und Klöstern seien keine Kunstwerke. Deshalb liege keine schöpferische Gestaltung vor.

Restorator gibt nicht auf und hat Revision beim BAG eingelegt

Da der Restaurator Revision beim Bundes­arbeits­gericht eingelegt hat, muss dieses nun entscheiden, ob bzw. unter welchen Voraus­setzungen Restau­rierungs­betriebe künstlerisch tätig sind und wann sie unter den Tarif­vertrag über die Sozial­kassen­pflicht fallen.

Bis dahin sollten Restau­ratoren klug reagieren, falls die SOKA-Bau sich mit Beitrags- oder Auskunfts­wünschen melden. Darauf bereitwillig einzugehen ist genauso unklug, wie den Kopf in den Sand zu stecken. Zur optimalen Strategie berät Sie Fachanwalt Dr. Meides – er ist seit vielen Jahren auf Sozial­kassen­recht spezialisiert.

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