Die maßgebliche Gesellschaft (im Folgenden: Klägerin) ist in das Rechtsdienstleistungsregister eingetragen und damit befugt, Inkassodienstleistungen zu erbringen. Sie hat sich in einer Vielzahl von Fällen (vermutete) Ansprüche abtreten lassen und wendet sich dann vorgerichtlich an die Vermieterseite. Soweit keine Einigung erzielt werden kann, verfolgt die Klägerin – dann regelmäßig durch zugelassene Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte vertreten – die Ansprüche vor Gericht weiter.
Unterschiedliche Rechtsauffassung der jeweils zuständigen Gerichte
Das jeweils zuständige Gericht muss beurteilen, ob die geschäftsmäßig von der Klägerin erbrachten Tätigkeiten sich noch im Rahmen der erlaubten Inkassotätigkeiten bewegen oder darüber hinaus eine unerlaubte Rechtsdienstleistung darstellen und damit die Abtretung wirksam oder nichtig ist. Das Rechtsproblem wird sehr kontrovers diskutiert, hat zu mehreren Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin und zu bisher unterschiedlichen Entscheidungen geführt:
LG hält Abtretung von Ansprüchen für wirksam
Landgerichts Berlin hat am 20. Juni 2018 in einem Berufungsurteil verkündet, indem es die Abtretung für wirksam gehalten hat. Inkassounternehmen übernähmen umfassend die Verantwortung, dafür, fremde Rechte oder Vermögensinteressen durchzusetzen. Indem bei der Registrierung die zuständige Behörde prüfe, ob die dort tätigen Personen über ausreichendes Wissen verfügten, werde der Rechtsverkehr ausreichend geschützt. Die von der Klägerin erbrachten Tätigkeiten bewegten sich innerhalb des von der Inkassoerlaubnis gesetzten Rahmens, für die sie die besondere theoretische und praktische Sachkunde nachgewiesen habe. Soweit eine substanzielle Rechtsprüfung erforderlich sei, stehe dieser Umstand nicht entgegen, sondern sei der Grund dafür, dass die Inkassotätigkeit erst nach entsprechender Erlaubnis erfolgen dürfe.
Auch AG Lichtenberg bejaht Wirksamkeit der Abtretungen
Das Amtsgericht Lichtenberg hat in einem Urteil vom 4. Januar 2018, die Auffassung vertreten, dass die Abtretungen wirksam seien. Die vorgerichtlichen Tätigkeiten der Klägerin seien vom Umfang der Inkassobefugnis gedeckt und stellten keine darüber hinausgehende Rechtsbesorgung dar.
AG Tempelhof-Kreuzberg sieht Rechtsdienstleistungen nicht von Inkassotätigkeit gedeckt
Einige Abteilungen des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg, darunter die Abteilung 24 in einem Urteil vom 16. Januar 2018, sind dagegen der Auffassung, dass die Klägerin nicht erfolgreich klagen könne. Die Abtretungen seien nichtig, da jene Rechtsdienstleistungen erbringe, die nicht von ihrer Inkassotätigkeit gedeckt seien. Denn die Klägerin beschränke sich nicht darauf, bereits entstandene, fällige Forderungen zu bewerten und für die Gläubigerseite einzuziehen. Vielmehr müsse sie erst umfassend prüfen, ob ein solcher Anspruch überhaupt bestehe; zudem müsse auch erst eine Rüge gegenüber der Vermieterseite ausgesprochen werden. Der Anspruch auf Rückzahlung überhöhter Miete hänge aber auch von dieser Rüge ab. Sofern außergerichtlich keine Einigung mit der Vermieterseite erzielt werden könne, beauftrage die Klägerin eine Vertragsanwältin bzw. einen Vertragsanwalt. Auch dies erfordere eine rechtliche Bewertung und gehe über die bei Inkassotätigkeiten erlaubten Tätigkeiten hinaus.
Urteilsverkündung in zwei Berufsverfahren demnächst anberaumt
Gegen das vorgenannte Urteil der Abteilung 24 ist Berufung eingelegt worden; die dafür zuständige Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin hat einen Verkündungstermin (zu dem die Parteien nicht erscheinen müssen) am 13. August 2018 um 14:00 Uhr in Saal 3807, Standort Littenstraße, anberaumt.
Landgerichts Berlin hat in einem Berufungsverfahren gegen ein Urteil der Abteilung 6 des Amtsgerichts Lichtenberg einen Verkündungstermin am 28. August 2018, 12:00 Uhr, Saal 3123, Standort Littenstraße, anberaumt.
Rechtsanwaltskammer Berlin macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend
Es gibt ferner einen weiteren Rechtsstreit, in dem sich die Klägerin auf der Beklagtenseite befindet. Die Rechtsanwaltskammer Berlin hat gegen die Gesellschaft Klage erhoben und macht wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend. Die Kammer ist der Auffassung, die Gesellschaft erbringe von ihrer Inkassoerlaubnis nicht gedeckte Rechtsdienstleistungen, indem sie außergerichtlich in klassischer Weise rechtsberatend tätig sei. Dies führe zu Wettbewerbsnachteilen für die Mitglieder der Kammer, die zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Die für diese Klage zuständige Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin hat einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 16. Oktober 2018, 12:00 Uhr, Saal 2601, Standort Littenstraße, anberaumt.