Menschliches Verhalten lebt von Übertreibungen. Das ist bei Bewerbungsverfahren um einen Arbeitsplatz nicht anders. Unternehmen stellen sich in glänzendem Licht dar, um gute Kandidaten auf sich aufmerksam zu machen, und Bewerber stapeln auch ein bisschen hoch. Aber alles hat seine Grenzen. Bewerber müssen zwar in der Regel nicht von sich aus ungefragt negative Informationen über sich preisgeben. Aber auf berechtigte Fragen muss wahrheitsgemäß geantwortet werden.
Recht auf wahrheitsgemäße Antwort nur bei berechtigten Fragen
Berechtigte Fragen – ob im schriftlichen Auswahlverfahren oder im Bewerbungsgespräch – sind solche, an deren Beantwortung der Arbeitgeber hinsichtlich des in Frage stehenden Arbeitsverhältnisses ein sachlich berechtigtes Interesse hat. Aufgrund des Diskriminierungsverbots sind alle persönlichen Fragen deshalb mit Vorsicht zu genießen.
Allzu Persönliches geht den Arbeitgeber nichts an
Fragen zu Familienstand, Konfession, Glauben, Weltanschauung, Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit, Behinderungen, Krankheiten, Vermögensstand, Vorstrafen sind deshalb in der Regel unzulässig.
Allerdings gibt es einige Ausnahmen: So dürfen konfessionsgebundene Betriebe nach der Religionszugehörigkeit fragen. Und aufgrund der Kirchensteuer muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach der Einstellung darüber informieren, ob er Mitglied einer Kirche ist, für die Kirchensteuer erhoben wird.
Vorstrafen müssen dann offengelegt werden, wenn nach Vorstrafen wegen konkreter Delikte gefragt wird, die einen Bezug zum Arbeitsplatz aufweisen. So darf ein Kassierer nach Vorstrafen wegen Vermögens- und Eigentumsdelikten und ein Kraftfahrer nach Vorstrafen wegen Straßenverkehrsdelikten gefragt werden.
Zulässig: Fragen nach Ausbildung und beruflichem Werdegang
Stets zulässig sind Fragen nach Ausbildung, Weiterbildung und dem beruflichen Werdegang – also nach den Qualifikationen des Arbeitnehmers. Auch nach Wettbewerbsverboten darf gefragt werden, wenn die Branche des Arbeitgebers betroffen ist.
Recht auf Lüge
Bleibt das Problem, wie auf unzulässige Fragen zu reagieren ist: Eine Frage im Vorstellungsgespräch mit Schweigen zu beantworten, macht vielleicht nicht den besten Eindruck. Hilfe bietet die Rechtsprechung, die unwahre Antworten auf unzulässige Fragen nicht als arglistige Täuschung wertet. Manche sprechen deshalb von einem durch die Rechtsprechung etablierten „Recht zur Lüge“.
Vielleicht kommt es auch immer auf den Arbeitgeber an. Wenn dieser sich schon im Vorstellungsgespräch übergriffig zeigt, sind Bewerber manchmal gut beraten, die Stelle nicht anzutreten und sich nach einem geeigneteren Arbeitgeber umzusehen. Andernfalls müssen sie mit ihrer Lüge leben. Rechtlich gesehen muss es der Arbeitgeber dann auch.