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Arbeitsrecht | 16.03.2022

Impfpflicht

Arbeits­rechtliche und sozial­rechtliche Folgen der Impfpflicht

Aufgrund der Viel­schichtigkeit der Problem­lagen ist immer der konkrete Einzelfall zu prüfen

Fachbeitrag von Rechtsanwalt Gerd Klier

Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich mit der „Einrichtungs­bezogenen Impfpflicht“ und ihren Folgen für Arbeitgeber, Arbeit­nehmer, sowie den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld. Aufgrund der Viel­schichtigkeit der Problem­lagen ist immer der konkrete Einzelfall zu prüfen.

Die Befürworter und Gegner des Impfens führen massenweise populistische öffentliche Diskussionen für und gegen die beschlossene „Einrichtungs­bezogene Impfpflicht“ ohne die Menschen darauf hinzuweisen, dass an keiner Stelle des Gesetztes eine Impfpflicht im eigentlichen Sinne zu finden ist.

Ein Blick ins Gesetz schafft mehr Klarheit

Mit der Einfügung des § 20 a in das Infektions­schutz­gesetz wurde keine Impfpflicht eingeführt, sondern wie bereits die Über­schrift des § 20 a verrät, Regelungen für einen „Immunitäts­nachweis gegen COVID-19“ geschaffen. Wie dann auch das Lesen dieser neuen gesetzlichen Norm ergibt, spricht das Gesetz nicht von der Pflicht zur Impfung. Vielmehr geht es immer um diesen Immunitäts­nachweis.

Betroffene Einrichtungen und Unternehmen

Der Absatz 1 des § 20a Infektions­schutz­gesetz benennt die Einrichtungen und Unternehmen, welche von der Erbringung des Immunitäts­nachweises betroffen sind. Im Wesentlichen sind dies alle Gesundheits­berufe und Einrichtungen einschließlich im Pflege­bereich und anderer genannter Einrichtungen und Dienst­leistungen.

Welche Nachweise sind zu erbringen?

Bis spätestens zum 15. März 2020 (24:00 Uhr) sind folgende Nachweise vorzulegen:

a) einen Impf­nachweis im Sinne des § 2 Nummer 3 COVID-19-Schutz­maßnahmen-Ausnahme­verordnung in der jeweils gültigen Fassung,

oder

b) einen Genesenen­nachweis im Sinne des § 2 Nummer 5 der Covid-19-Schutz­maßnahmen-Ausnahme­verordnung in der jeweils geltenden Fassung,

oder

c) eine ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.

Soweit die oben genannten Nachweise ihre Gültigkeit auf Grund Zeitablaufs verlieren, sind rechtzeitig neue Nachweise vorzulegen.

Unterscheidung nach Beginn der Beschäftigung

Der neue § 20 a unter­scheidet zwischen den Beschäftigten

  • welche bis einschließlich 15.03.2022 die Tätigkeit begonnen haben (§ 20 a Absatz 2) und
  • welche, die ab dem 16.03.2021 neu tätig werden sollen (§ 20 a Absatz 3).

Diese Unter­scheidung ist für die Vorgehensweise der Betroffenen und die Rechts­folgen von entscheidender Bedeutung, insbesondere bezüglich der Bußgeld­vorschriften, wie auch arbeits- und sozial­rechtlichen Konsequenzen.

Praxis­hinweis: Sofern ein Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber erfolgt, bzw. Arbeitgeber in den betroffenen Bereichen neue Mitarbeiter einstellen ohne Vorlage eines der gesetzlich geforderten Nachweise, sollte die Tätigkeit spätestens am 15. März 2022 beginnen. Anschließende Neu­einstellung sind nach § 20 a Absatz 3 ohne Vorlage eines der gesetzlich geforderten Nachweise nicht erlaubt und werden nach § 73 Absatz 1a Nr. 7 g mit Bußgeldern von bis zu 2.500,00 Euro geahndet.

Für diejenigen, welche einen der erforderlichen Nachweise vor Beginn der Tätigkeit vorlegen, kann auch eine Aufnahme der Tätigkeit ab dem 16.03.2022 wie bisher erfolgen. Die Vorlage eines der genannten Nachweise stellt quasi eine Tätigkeits­voraussetzung bei Aufnahme einer Tätigkeit in diesem Bereich ab dem 16.03.2022 dar. Ähnlich, wenn auch nicht ganz vergleichbar, wie wenn ein Kraftfahrer bei Aufnahme einer Kraftfahrer­tätigkeit im Besitz eines gültigen Führer­schein und einer gültigen Fahrerlaubnis sein muss.

Bereits am 15.03.2022 Tätige

Um diese Menschen rankt sich die Mehrheit der viel­fältigen öffentlichen Diskussionen, welche jedoch zum großen Teil bei Befürwortern und Gegner der „Einrichtungs­bezogenen Impfpflicht“ an der gesetzlichen Regelung vorbeigeht.

- Vorlage eines Nachweises

Einer der genannten drei Nachweise muss bis zum 15.03.2022, 24:00 Uhr vorgelegt werden. Wird kein Nachweis vorgelegt oder der Arbeitgeber hat Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, muss der Arbeitgeber dies dem zuständigen Gesundheits­amt melden unter Angabe der persönlichen Daten des Betroffenen. Dies bedeutet, dass hier weder ein Impflicht, noch ein Beschäftigungs­verbot besteht, sondern lediglich eine Melde­pflicht des Arbeit­gebers.

- Ent­scheidung des Gesundheits­amtes

aa) Nach § 20a Absatz 5 kann das Gesundheits­amt bei Zweifeln an der Echtzeit oder der inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises eine ärztliche Untersuchung dazu anordnen, ob die betroffene Person auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen den Coronavirus SARS.CoV.2 geimpft werden kann.

bb) Das Gesundheits­amt kann einer Person, die trotz Anforderung eines der gesetzlich an­geforderten Nachweise diesen nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorlegt und trotz Anordnung der ärztlichen Untersuchung sich dieser nicht unterzieht, untersagen, dass sie die Räume der Einrichtung betritt und untersagen, in einer der genannten Einrichtungen tätig zu werden. Hieraus ergibt sich folgender Ablauf:

  • ab dem 16.03.2022 Meldung an das Gesundheits­amt
  • Auflage des Gesundheits­amtes zur Vorlage des Nachweises, bzw. Unter­ziehung einer ärztlichen Untersuchung mit Setzung einer angemessenen Frist
  • beim Nicht­nachkommen innerhalb der gesetzten Frist die Möglichkeit (nicht die Pflicht) des Gesundheits­amtes, eine Untersagung zum Betreten, bzw. Tätigw­erden in den genannten Einrichtungen

Praxishinweis:

Dann kann das Gesundheits­amt von seinem pflichtgemäßen Ermessen Gebrauch machen und beispiels­weise andere Auflagen anordnen, wie Anzahl und Art der Testungen anstelle eines Betretungs- und Beschäftigungs­verbotes.

- Kündigung bei Vorlage eine gefälschten oder unrichtigen Nachweises

Legt ein Mitarbeiter einen gefälschten oder unrichtigen Nachweis vor, riskiert er die verhaltensbedingte und zugleich fristlose Kündigung des Arbeits­vertrages. Zwar kann der Arbeit­nehmer innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung eine Kündigungs­schutz­klage erheben. Jedoch dürfte in den meisten Fällen das Vertrauens­verhältnis so gestört sein, dass die Kündigung vom Arbeits­gericht bestätig wird. In diesem Fall würde die Agentur für Arbeit zunächst kein Arbeitslosengeld zahlen und eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängen. Wer eine solche Sperrzeit erhält, dem wird der Anspruch auf Arbeitslosengeld insgesamt um ein Viertel gekürzt.

- Kündigung bei Nicht­vorlage von Nachweisen

Wer den gesetzlich geforderten Nachweis nicht bis zum 15.03.2022 vorlegt, erhält zwar kein Bußgeld, jedoch muss mit arbeits­rechtlichen Konsequenzen gerechnet werden. Grund­sätzlich dürfte zunächst eine Abmahnung erforderlich sein, wenn eine gesetzliche Nachweis­pflicht gegenüber dem Arbeitgeber nicht erfüllt wird. Da das Gesetz jedoch keine Impfpflicht im eigentlichen Sinne, sondern nur die Vorlage des Nachweises vorschreibt, muss auch die Mitteilung an den Arbeitgeber bis zum 15.03.2022 genügen, dass ein solcher Nachweis nicht vorliegt, da weder eine Impfung erfolgt ist, noch ein Genesen-Status mangels Erkrankung vorliegt, noch ein Nachweis Kontraindikation erbracht werden kann. Dies löst dann die Pflicht des Arbeits­gebers zur Meldung an das Gesundheits­amt aus. Bei solch einer Mitteilung des Mitarbeiters dürfte keine Abmahnung gerechtfertigt sein und dann auch keine Kündigung.

Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn der Arbeitgeber ohne Anordnung des Gesundheits­amtes für sich entscheidet, den Mitarbeiter ein Betretungs­verbot auszusprechen und diesen nicht zu beschäftigen. In einem solchen Fall könnte unter Umständen sogar der Vergütungs­anspruch des Mitarbeiters trotz Nicht­beschäftigung vorliegen.

- Kündigung bei Betretungs­untersagung und Beschäftigungs­verbot durch das Gesundheits­amt

Hat das Gesundheits­amt ein Betretungs­verbot und Beschäftigungs­verbot ausgesprochen, darf der Arbeitgeber den Mitarbeiter nicht beschäftigen. Da das Gesetz aktuell bis zum 31.12.2022 befristet ist, ist die Beschäft­igungs­möglich­keit nicht dauerhaft entfallen, sondern nur vorüberg­ehend. Daher dürfte für den Arbeitgeber eine Kündigung recht schwierig sein. Erfolgt eine Kündigung, muss innerhalb der Frist von drei Wochen die Kündigungs­schutz­klage erhoben werden. Allerdings dürfte für den Zeitraum des Beschäftigungs­verbotes auch kein Vergütungs­anspruch gegen den Arbeitgeber bestehen. In diesem Fall sollte der Mitarbeiter sich unverzüglich bei seiner Agentur für Arbeit melden, sich der Vermittlung zur Verfügung stellen und Arbeitslosengeld beantragen. Da der Mitarbeiter keine gesetzliche Pflicht zur Impfung hat, jedoch wegen des vom Gesundheits­amt ausgesprochenen Beschäftigungs­verbotes nicht arbeiten kann, trifft ihm kein Verschulden. Würde das Gesetz nicht eine Nachweis­pflicht, sondern eine tatsächliche Impfpflicht vorschreiben, sähe die Sache anders aus. Im Falle der Verhängung einer Sperrzeit seitens der Agentur für Arbeit, sollte daher gegen diesen Bescheid innerhalb der Monatsfrist Widerspruch eingelegt werden.

- Gesetzgeber hat bewusst die Unter­scheidung Beschäftigungs­beginn 16.03.2022 getroffen

Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass nach dem 15.03.2022 in den Einrichtungen der vermeintlichen „Einrichtungs­bezogenen Impfpflicht“ keine Mitarbeiter tätig sind, welche nicht geimpft sind, dann wäre die Unter­scheidung zwischen den bereits spätestens am 15.03.2022 in den Einrichtungen Tätigen und den Neuein­stellungen nach dem 15.03.2022 nicht erforderlich gewesen. Mithin besteht nur für die Neu­einstellung ab dem 16.03.2022 eine Nachweis­pflicht als Tätigkeits­voraussetzung. Für die bereits am 15.03.2022 Tätigen besteht nur eine Melde­pflicht an das Gesundheits­amt und die Möglichkeit von Verfügungen des Gesundheits­amtes.

Andernfalls würden im Gesundheit- und Pflege­bereich bei zu geringen Impfquoten der bereits am 15.03.20222 Tätigen die erforderlichen Arbeiten nicht mehr sicher­gestellt werden können. Die Patienten und Pflege­bedürften könnten nicht mehr, bzw. nicht mehr im ausreichenden Umfang versorgt werden. Diesen Umstand haben die Gesundheits­ämter bei ihren individuellen Entscheidungen zu berücksichtigen.

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