Bundesarbeitsgericht bittet um Auslegungshilfe
Zunächst spielte sich die Frage nach einem möglichen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub eines Arbeitnehmers vor deutschen Arbeitsgerichten ab. Dort hatten Ehefrauen gegen die Arbeitgeber ihrer verstorbenen Ehemänner auf Ausgleichszahlungen für nicht mehr genommen Jahresurlab geklagt. Die Streitigkeiten landeten schließlich bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG). Dort mussten die Richter in der Schnittstelle zwischen deutschen Arbeitsrecht und Erbrecht die Bedeutung Europäischer Vorschriften klären und riefen dazu den EuGH zur Rate. Dabei ging es insbesondere um die Frage der Auslegung des EU-Rechtes zum Urlaubsanspruch.
Urlaubsanspruch vererbbar?
Das BAG verwies insbesondere darauf, dass nach der Rechtsprechung des EuGH der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers untergehe. Eine andere Frage ist es aber, ob dieser Anspruch dann in Form eines finanziellen Ausgleichsanspruches auch Teil der Erbmasse werden kann. In Deutschland ist nämlich genau dies nicht der Fall. Das deutsche Erbrecht verhindert, dass der Urlaubsanspruch zu einem finanziellen Anspruch werden kann, der dann Teil des Erbes wird.
Der EuGH hat nun abweichend davon entschieden, dass ein solcher Anspruch sehr wohl Teil der Erbmasse wird. Damit können Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub von dem Arbeitgeber verlangen.
Nicht nur Erholung sondern auch finanzielle Vergütung geschuldet
Die Entscheidung des EuGH spiegelt dabei ein anderes Verständnis des Sinn und Zwecks des Urlaubsanspruches wieder (Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 06.11.2018, Az. C-569/16 und C-570/16). Zwar räumte auch der EuGH ein, dass die mit dem Urlaub bezweckte Erholungszeit nach dem Tod des Arbeitnehmers nicht mehr ihre Wirkung entfalten könne. Dies sei aber jedenfalls eben nur ein Aspekt des Urlaubsanspruches.
Daneben sei der Urlaubsanspruch Ausdruck des wesentlichen Grundsatzes des Sozialrechtes der Union. Eng mit dem Anspruch auf bezahlten Urlaub verbunden sei damit auch der Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Jahresurlaub. Diese Komponente sei damit rein vermögensrechtlicher Natur, fließe somit in das Vermögen des Erblassers ein und könne damit in der Folge auch Teil der Erbmasse werden. Diese vermögensrechtliche Position soll nach Ansicht der Richter also gerade nicht mit dem Tod des Arbeitnehmers entfallen.
Was bedeutet die Entscheidung für das deutsche Erbrecht?
In Deutschland verhinderte bisher eine Regelung aus dem Bundesurlaubgesetzes in Verbindung mit den erbrechtlichen Vorschriften des BGB, dass der Anspruch auf Jahresurlaub als ein finanzieller Ausgleichsanspruch Teil des Erbes wird. Im Vordergrund des Urlaubsanspruches stehe nämlich der Erholungszweck des Arbeitnehmers, der nach dessen Tod nicht von den Erben verwirklicht werden könne.
Der EuGH hat nun klargestellt, dass diese Regelung mit dem Unionsrecht unvereinbar ist und sich Erben daher unmittelbar auf europäisches Recht berufen können. Aber welche Folgen wird diese Entscheidung nun für das deutsche Erbrecht haben?
Der EuGH hat ganz deutlich erklärt, dass die bestehende Regelung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Damit muss nun auch das BAG die deutsche Regelung unangewendet lassen. In der Folge wird wohl auch der Gesetzgeber auf die Entscheidung reagieren und die erbrechtlichen Regelungen an die europäischen Vorgaben anpassen müssen. Damit wird sich womöglich auch hier die Sichtweise auf den Sinn und Zweck des Urlaubsanspruches verändern.
Weitere Informationen zum Thema Erbrecht und Arbeitsrecht finden Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge.html