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Immobilienrecht, Mietrecht und Schadensersatzrecht | 19.02.2020

Diskriminierung

Diskriminierung bei der Wohnungs­suche: Vermieter zu Schadens­ersatz verurteilt

Wohnungs­unternehmen Deutsche Wohnen muss Entschädigung in Höhe von 3.000 Euro zahlen

Das Amtsgericht Berlin Charlottenburg hat in einem Urteil vom 14. Januar 2020 das Wohnungs­unternehmen Deutsche Wohnen wegen Diskriminierung eines türkei­stämmigen Bewerbers bei der Wohnungs­vergabe zu einer Entschädigung in Höhe 3.000,00 Euro verurteilt (Az.: 203 C 31/19).

Die Beklagte Vermieterin Deutsche Wohnen vermietet in Berlin ca. 110.000 Wohnungen. Auf ihrer Internet­seite veröffentlicht sie Wohnungs­angebote. Über ein online-Formular können sich Interessenten um einen Besichtigungs­termin für die angebotenen Wohnungen bewerben.

Wohnungsbesichtigung mit türkischen Namen nein - mit deutschen Namen ja

Am 09.10.2018 bewarb sich der Kläger, der einen türkischen Namen trägt, um die Besichtigung einer von der Beklagten inserierten Wohnung. Außer seinem Namen und seinen Kontakt­daten enthielt das Online­formular keine weiteren Daten des Klägers. Am 10.10.2018 erhielt der Kläger von einer Mit­arbeiterin der Beklagten, eine E-Mail mit einer Absage. In dieser E-Mail heißt es, dass bedauerlicherweise dem Kläger für diese Wohnung aufgrund der zahlreichen Anfragen kein Angebot unterbreitet werden könne. Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom gleichen Tag unter einem fiktiven deutschen Namen erneut um die Besichtigung derselben Wohnung. Mit E-Mail vom 11.10.2018 teilte die Mit­arbeiterin der Beklagten, der Kläger könne sich die Schlüssel für eine Besichtigung am Service­point abholen.

Im November 2018 wiederholte der Kläger das vorgenannte Prozedere bei einer anderen, von der Beklagten angebotenen Wohnung mit dem gleichen Ergebnis.

Auskunft bei persönlicher Abgabe der Bewerbungsunterlagen: Wohnung sei mittlerweile vermietet

Nachdem der Kläger die Zusage (unter falschem Namen) zur Besichtigung für die erste Wohnung erhalten hatte, suchte er den Service­point der Beklagten auf und übergab seine Bewerbungs­unterlagen, die seinen richtigen Namen beinhalteten. Eine Mit­arbeiterin der Beklagten habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass die Wohnung bereits vergeben sei. Am selben Tag rief ein Arbeits­kollege des Klägers bei der Beklagten an, bezog sich auf die Bewerbung des Klägers unter dem deutschen Namen und gab sich als diesen aus. Die Mit­arbeiterin der Beklagten habe ihm daraufhin mitgeteilt, dass er die Wohnung besichtigen könne.

Kläger suchte Hilfe bei der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt

Der Kläger wandte sich daraufhin an die Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungs­markt und ließ sich beraten. Mit Schreiben vom 21.11.2018 wandte sich diese als Vertreterin des Klägers an die Beklagte und teilte ihr den oben dargestellten Sachverhalt mit. Sie wies darauf hin, dass es sich um einen Fall der Diskriminierung nach § 21 AGG handele. Dem Schreiben war ferner eine Anlage beigefügt, in der der Kläger erklärte, dass er vorsorglich seine Ansprüche auf Beseitigung, Unter­lassung, Schadens­ersatz und Entschädigung nach § 21 AGG geltend mache.

Die Beklagte wies Ansprüche des Klägers zurück.

Mit Schreiben seiner Prozess­bevollmächtigten vom 28.12.2018 machte der Kläger erneut Ansprüche wegen Diskriminierung geltend. Die Beklagte wurde aufgefordert, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 5.000 Euro sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwalts­kosten zu zahlen. Mit Schreiben vom 09.01.2019 bestellten sich die Prozess­bevollmächtigten der Beklagten für diese und beantragten eine Frist­verlängerung. Eine weitere Stellung­nahme erfolgte nicht.

Der Kläger behauptet nach Zugang des Schreibens der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungs­markt vom 21.11.2018 sei seine E-Mail-Adresse für Online­anfragen auf der Seite der Beklagten gesperrt gewesen. Üblicherweise habe er nach Absendung einer online Anfrage eine Bestätigung per E-Mail erhalten, dass diese bei der Beklagten eingegangen sei. Diese Bestätigung habe er später nicht mehr erhalten.

Kläger forderte Entschädigung

Der Kläger beantragt, an ihn eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe ins Ermessen des Gerichts gestellt wird und 2.000 Euro nicht unter­schreiten sollte. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

AG: Kläger aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft benachteiligt

Nach Auffassung des Gerichts war die Klage begründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entschädigung.

Durch die Versendung der Absagen an den Kläger unter seinem türkisch klingenden Namen und der Einladung zur Besichtigung aufgrund seiner Anfragen unter dem deutsch klingenden Namen sei der Kläger weniger günstig behandelt worden als eine Person mit Deutsch klingenden Namen. Der Kläger sei mithin benachteiligt worden. Eine unmittelbare Benachteiligung liege vor, wenn eine Person aus den in § 1 AGG genannten Gründen „eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“.

Gericht zweifelt nicht an die Richtigkeit des vom Kläger dargestellten Sachverhalts

Dem Kläger sei es gelungen, Indizien darzulegen und zu beweisen, welche die Vermutung recht­fertigen, dass er allein aufgrund seines türkisch klingenden Namens, mithin seiner ethnischen Herkunft, keine Einladung zu einem Besichtigungs­termin erhalten habe. Dies ergebe sich bereits aus der Reaktion der Mit­arbeiterinnen der Beklagten auf die E-Mail Anfragen des Klägers im Oktober und November 2018 für die Wohnungen. In beiden Fällen habe der Kläger unstreitig bei den Anfragen mit seinem türkisch klingenden Namen eine Absage und mit dem Deutsch klingenden Namen eine Einladung zur Besichtigung erhalten.

Darüber hinaus habe zur Überzeugung des Gerichts die Beweis­aufnahme ergeben, dass dem Kläger bei seiner persönlichen Anfrage am 12.10.2018 im Service­point mitgeteilt worden sei, die Wohnung sei schon vergeben, während dem Arbeits­kollegen des Klägers nur 1 Stunde später in einer telefonischen Anfrage mitgeteilt worden sei, dass die Wohnung noch besichtigt werden könne. Besonders ein­drücklich habe der Kläger dabei schildern können, dass er sich darüber gewundert habe, die Mit­arbeiterin habe nirgends nachsehen müssen, um ihm die Absage zu erteilen. Sie habe ihm das gleich gesagt, nachdem sie die Adresse gesehen habe.

Das vom Kläger durchgeführte sogenannte. „Testing-Verfahren“ sei im Bereich der Wohnungs­miete ausdrücklich zulässig.

Versuch der Rechtfertigung seitens der Beklagten scheiterte

Die Beklagte habe die Indizien, die für eine Diskriminierung sprechen, nicht beseitigen können. Auf ausdrückliche Nachfrage erklärte eine Mit­arbeiterin der Beklagten zwar, sie habe sich bei der Entscheidung, ob sie eine Einladung oder Absage ausspreche, nicht vom Namen oder Herkunft des Klägers leiten lassen. Das Gericht habe daran erhebliche Zweifel. Denn die Zeugin habe auch erklärt, dass sie keine Einladungen zu Wohnungs­besichtigungen aussprechen würde, wenn für sie von vornherein klar wäre, dass der jeweilige Interessent als Mieter nicht in Betracht käme.

Berliner Immobilienkonzern muss 3.000 Euro Schadensersatz zahlen

Der Kläger hat nach Auffassung des Gerichts gemäß § 21 Abs. 2 AGG einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld. Die Diskriminierung des Klägers durch die Beklagte erfolgte schuldhaft – zumindest fahrlässig.

Damit steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzens­geldes i.H.v. 3.000 Euro zu. Bei der der Bemessung der Geld­entschädigung stellen der Gesichts­punkt der Genugtuung des Opfers, die Intensität der Persönlichkeits­rechts­verletzung und der Präventions­gedanke Bemessungs­faktoren dar, die sich je nach Lage des Falls unterschiedlich auswirken können. Im Vordergrund stehe im Bereich des Diskriminierungs­rechts, dass die Entschädigung dem Benachteiligten Genugtuung für die durch die Benachteiligung zugefügte Herabsetzung oder Zurück­setzung verschaffen könne.

Danach war nach Auffassung des Amts­gerichts ein Entschädigungsa­nspruch i.H.v. 3.000 Euro angemessen. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Beklagten um einen der größten Vermieter in Berlin handle. Diskriminierungen durch die Beklagte wirken sich daher besonders schwer­wiegend aus, da der Kläger hierdurch vom Zugang zu einem erheblichen Anteil des Miet­wohnungs­marktes in Berlin abgeschnitten sei. Ferner sei die Diskriminierung des Klägers durch das nach­trägliche Verhalten der Beklagten noch verstärkt worden. Wie sie selbst schließlich einräumt habe, habe sie nach Erhalt des Schreibens der Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungs­markt den Kontakt zum Kläger per E-Mail ausgeschlossen.

Bedeutung für Mieter

Sollten Verdachts­gründe für eine Diskriminierung im Wohnungs­bewerbungs­verfahren vorliegen, sollten die Betroffenen plausible Indizien für eine etwaige Diskriminierung im Rahmen des sog. „Testings“ dokumentieren, um eine Diskriminierung vor Gericht glaubhaft machen zu können.

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