Wichtige im Jahr 2016 gesprochene Urteile aus dem Mietrecht – Teil II:
Unpünktliche Mietzahlungen durch Jobcenter können fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen
Zahlt das Jobcenter unpünktlich die Miete an den Vermieter, so kann dies dem Mieter in der Regel nicht angelastet werden. Dennoch kann eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht kommen, da eine solche Kündigung kein Verschulden des Mieters voraussetzt. Die erforderliche Gesamtabwägung kann auch unabhängig von einem Verschulden des Mieters an den unpünktlichen Zahlungen zu dessen Lasten ausfallen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2016, Az. VIII ZR 173/15).
Berücksichtigung einer Gesundheitsgefahr des Vermieters bei Entscheidung über Aussetzung einer Zwangsräumung eines selbstmordgefährdeten Mieters
Bei der Entscheidung über die Aussetzung einer Zwangsräumung ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht nur die mit der Zwangsräumung verbundene konkrete Lebensgefahr des Mieters zu berücksichtigen, sondern auch die mit dem weiteren Vollstreckungsstillstand verbundene Gesundheitsgefahr für den Vermieter. Ist das Gefährdungspotential beim Mieter jedoch höher zu bewerten als beim Vermieter, so komme eine befristete Einstellung der Zwangsräumung gemäß § 765 a ZPO in Betracht (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2016, Az. I ZB 109/15).
Beleidigende Äußerungen des Vermieters rechtfertigen kein Schmerzensgeld bei Kompensation durch Unterlassungstitel und Möglichkeit des Privatklageverfahrens
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass einem Mieter wegen einer beleidigenden Äußerung des Vermieters dann kein Anspruch auf Schmerzensgeld zustehe, wenn die Persönlichkeitsverletzung durch einen strafbewehrten Unterlassungstitel und der Möglichkeit des Privatklageverfahrens kompensiert werden könne. In diesem Fall bleibe die Persönlichkeitsverletzung nicht sanktionslos, so dass eine Geldentschädigung nicht erforderlich sei (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2016, Az. VI ZR 496/15).
Vorgeschobene Eigenbedarfskündigung bei bestehender Verkaufsabsicht
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs könne eine Eigenbedarfskündigung auch dann vorgeschoben sein, wenn ein Vermieter seit längerem Verkaufsabsichten hegt und der von ihm benannten Eigenbedarfsperson den Wohnraum in der Erwartung vermietet, diese im Falle eines gelingenden Verkaufs ohne Schwierigkeiten zum Auszug bewegen zu können. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Eigenbedarfsperson die Verkaufsabsichten des Vermieters kennt (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.05.2016, Az. VIII ZR 214/15).
Kein Anspruch des Mieters auf Rückgabe der Mietsicherheit bei bestehendem Sicherheitsbedürfnisses des Vermieters
Einem Wohnungsmieter stehe nur dann ein Anspruch auf Rückgabe der Mietsicherheit zu, so der Bundesgerichtshof, wenn dem Vermieter kein Anspruch aus dem Mietverhältnis mehr zustehe, wegen dem er sich aus der Sicherheit befriedigen könne. Ein solches Sicherungsbedürfnis könne sich aus einem bestehenden und nicht verjährten Nachzahlungsanspruch aus einer Betriebskostenabrechnung ergeben. Dem stehe § 216 Abs. 1 BGB nicht entgegen. Danach hindere zwar die Verjährung eines Anspruchs, für den ein Pfandrecht bestellt sei, den Gläubiger nicht, seine Befriedigung aus dem belasteten Gegenstand zu suchen. Die Vorschrift sei gemäß § 216 Abs. 3 BGB jedoch nicht auf die Verjährung von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen anzuwenden. Als solche seien Forderungen auf Betriebskostennachzahlungen einzustufen (Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2016, Az. VIII ZR 263/14).
Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs setzt vollständigen Ausgleich der Mietrückstände voraus
Wird einem Wohnungsmieter wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt, so wird die Kündigung nur dann gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2, § 543 Abs. 2 Satz 3 oder § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB unwirksam, wenn der Mieter die Rückstände vollständig ausgleicht. Verbleibt dagegen eine Restforderung, kann der Vermieter erfolgreich auf Räumung der Wohnung klagen. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden (Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.08.2016, Az. VIII ZR 261/15).
Wirksamer Kündigungsausschluss für vier Jahre bei Möglichkeit der ordentlichen Kündigung „zum Ablauf dieses Zeitraums“
Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sei eine Kündigungsausschlussklausel wirksam, wenn sie eine ordentliche Kündigung bis zum Ablauf von vier Jahren ausschließe. Durch eine solche Regelung werde ein Wohnungsmieter nicht im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt. Vielmehr entspreche sie der gesetzlichen Regelung in § 557 a Abs. 3 Satz 2 BGB zum zulässigen Kündigungsausschluss bei einer Staffelmietvereinbarung. Ein formularmäßiger Kündigungsausschluss sei dagegen unwirksam, wenn er einen Zeitraum von vier Jahren überschreite. Dies sei dann der Fall, wenn eine ordentliche Kündigung erst nach Ablauf dieses Zeitraums möglich sei. Denn unter Hinzurechnung der dreimonatigen Kündigungsfrist würde sich der Kündigungsausschluss auf vier Jahre und drei Monate verlängern (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.08.2016, Az. VIII ZR 23/16).
Zustimmungserklärung zur Mieterhöhung kann nicht widerrufen werden
Stimmt ein Mieter einem Mieterhöhungsverlangen schriftlich zu, so ist er daran gebunden. Ihm steht kein Widerrufsrecht nach § 312 g Abs. 1 BGB zu. Denn bei der Zustimmung zu einer Mieterhöhung handelt es sich nicht um ein Fernabsatzgeschäft im Sinne des § 312 c Abs. 1 BGB. Dies hat das Amtsgericht Gelsenkirchen entschieden (Amtsgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 27.04.2016, Az. 202 C 3/16).
Keine Pflicht des Mieters zur Trennung eines Elektrogeräts von Stromquelle bei Nichtgebrauch
Ein Mieter sei nicht verpflichtet, so das Amtsgericht Bremen, ein Elektrogerät bei Nichtgebrauch von der Stromquelle zu trennen oder den Betrieb zu beaufsichtigen. Eine solche Pflicht sei lebensfremd. Vielmehr dürfe ein Mieter grundsätzlich darauf vertrauen, dass sich ein Elektrogerät auch dann nicht entzündet, wenn der Netzstecker dauerhaft eingesteckt ist. Etwas anderes könne dann gelten, wenn das Gerät bereits zuvor ein Defekt zeige, die eine Entzündungsgefahr nahelege, oder wenn der Mieter über einen langen Zeitraum die Wohnung verlasse (Amtsgericht Bremen, Urteil vom 27.07.2016, Az. 17 C 68/15).
Verstoß gegen Mietpreisbremse begründet Anspruch des Mieters auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete
Liegt die Netto-Kaltmiete einer Wohnung im Bereich einer Mietpreisbremse um mehr als 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete, so liege nach Ansicht des Amtsgerichts Berlin-Neukölln ein Verstoß gegen § 556 d Abs. 1 BGB vor. Der Verstoß gegen die Mietpreisbremse begründe einen Anspruch des Mieters auf Rückforderung der zu viel gezahlten Miete (Amtsgericht Berlin-Neukölln, Urteil vom 08.09.2016, Az. 11 C 414/15).
Siehe auch: